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Landeshauptstadt Stuttgart

Presse

Otto-Hirsch-Auszeichnung an Michael Kashi überreicht - Enkelin Naomi Hirsch aus den USA angereist

In einer feierlichen Zeremonie im Großen Sitzungssaal des Stuttgarter Rathauses ist Michael Kashi am Montag, 25. Februar, die diesjährige Otto-Hirsch-Auszeichnung verliehen worden. Die Bürgermeisterin für Jugend und Bildung, Isabel Fezer, zugleich evangelische Vorsitzende der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit (GCJZ), und die Vorstandsvorsitzende der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württembergs (IRGW), Professor Barbara Traub, überreichten ihm die Ehrung in Form einer Skulptur. Als Überraschungsgast war die Enkelin von Otto Hirsch, die Kantorin Naomi Hirsch, aus Philadelphia angereist und sang zum Abschluss der Feierstunde zwei Lieder im Gedenken an ihre Großeltern.

Mit der diesjährigen Otto-Hirsch-Auszeichnung werden Michael Kashis "bleibende Verdienste als Wegbereiter des Dialogs wie auch der Öffnung der jüdischen Gemeinde in die Stuttgarter Stadtgesellschaft sowie in die Zweigstellengemeinden durch die Schaffung dezentraler Strukturen in Württemberg" gewürdigt.

Mit Weitsicht viele Widerstände überwunden

Isabel Fezer bezeichnete die Otto-Hirsch-Auszeichnung, die seit 1985 gemeinsam von Stadt, IRGW und GCJZ verliehen wird, als eine der bedeutendsten Stuttgarter Ehrungen: "Sie ist nicht zuletzt ein Zeichen gegen den Antisemitismus, wie er sich heute leider wieder verstärkt zeigt." Nicht nur die Festgäste im vollbesetzten Sitzungssaal, auch der größte Teil der Stadtgesellschaft sei entschlossen, dem entgegenzutreten. "Jede Form von Diskriminierung ist zu verurteilen", sagte die Bürgermeisterin.

Michael Kashi dankte sie für sein großes Engagement in Stuttgart und weit darüber hinaus: "Sie haben unglaublich viel getan für das jüdische Leben in Württemberg, waren weitsichtig und haben anfangs viele Widerstände überwunden. Die Stadtgesellschaften profitieren davon."

Eindrucksvoll habe das auch die Spendenaktion für eine neue Tora-Rolle im vergangenen Jahr gezeigt, die Kashi gemeinsam mit Bürgermeister Dr. Martin Schairer, dem damaligen Sprecher der GCJZ, initiierte, und die nicht nur hinsichtlich des Spendenziels überaus erfolgreich war, sondern "ein Zeichen der Zusammengehörigkeit". Gerührt erinnerte sich Fezer an die feierliche Prozession vom Rathaus in die Synagoge: "Michael Kashis Gesicht zeigte reines Glück."

In Stuttgart eine Heimat gefunden

In einer sehr persönlich gehaltenen Rede würdigte Barbara Traub die Verdienste ihres langjährigen Mitstreiters in der IRGW. Michael Kashi habe bereits in den 70er- und 80er-Jahren begonnen, "Brücken zu bauen und die jüdische Gemeinde mit der Stadtgesellschaft zu verweben". Nach der Überreichung von Urkunde und Auszeichnung bedankte sich Michael Kashi für die Ehrung, die ihm Ansporn sei, auf diesem Weg weiterzugehen. Anhand von Familienfotos schilderte Kashi die Stationen seines Lebens, das 1948 in Tel Aviv begann, und ihn schon beim "Krieg-Spielen" mit arabischen Kindern lehrte: "Frieden kann man nicht mit Hass gewinnen". Auch ab 1966 als Fallschirmspringer bei der Armee erfuhr er: "Krieg kennt nur Verlierer". 1969 kam er das erste Mal nach Deutschland, war begeistert von der Freiheit und gründete eine Familie. Sein Fazit: "Ich habe das große Glück, dass ich nicht nur angekommen bin, sondern eine Heimat gefunden habe. Dieses Glück möchte ich mit meiner Arbeit auch anderen ermöglichen."

Erinnerung an die Großeltern wachhalten

Zum besonders feierlichen Abschluss des Abends betrat Naomi Hirsch das Podium - "nicht nur als Enkelin von Otto Hirsch, sondern auch von seiner Frau Martha, sie haben immer zusammengearbeitet." In Philadelphia ist sie unter anderem als Kantorin und Lehrerin tätig. Naomi Hirsch erinnerte an ihren Vater Hans Georg Hirsch, der 1985 bei der Überreichung der ersten Otto-Hirsch-Medaille in Stuttgart war und auch an späteren Verleihungen teilnahm. Ende 2015 starb er wenige Tage vor seinem 100. Geburtstag. "Ich bin sehr stolz auf meine Herkunft", sagte Naomi Hirsch. Ihre Entscheidung, Kantorin zu werden, sei sicher von ihren Großeltern beeinflusst. Speziell für ihre Großmutter und ihren Großvater hatte sie zwei Lieder ausgesucht, die sie, am Klavier begleitet von dem Augsburger Kantor Nikola David, vortrug. Ihr Wunsch: "Möge die Otto-Hirsch-Auszeichnung noch viele Jahre vergeben und die gerechten Taten meiner Großeltern nicht vergessen werden."

Michael Kashis Einsatz für den Dialog

Als Kashi begann, sich für die Öffnung der Stuttgarter jüdischen Gemeinde und für einen Dialog mit der Stadtgesellschaft einzusetzen, bedeutete dies eine einschneidende und insbesondere für Stuttgart wertvolle Veränderung. Begleitet war diese Entwicklung von einer erfolgreichen Dezentralisierung jüdischen Lebens in ganz Württemberg, Neugründungen jüdischer Gemeinden und der Integration der Gemeindemitglieder in die jeweiligen Stadtgesellschaften. Sein Name verbindet sich mit Initiativen der Wissensvermittlung über das Judentum, Institutionen wie dem Haus Abraham e.V., dem forum jüdischer bildung und kultur e.V., dem Landesforum der Kirchen und Religionsgemeinschaften in Baden-Württemberg und dem Rat der Religionen Stuttgart sowie Veranstaltungen wie den Jüdischen Kulturwochen und dem öffentlichen Entzünden der Chanukka-Lichter auf dem Schlossplatz.

Otto-Hirsch-Auszeichnung

Mit der Otto-Hirsch-Auszeichnung werden Persönlichkeiten, Gruppen oder Initiativen geehrt, die sich in besonderer Weise um die interreligiöse Zusammenarbeit vor allem zwischen Christen und Juden verdient gemacht haben. Stadt, IRGW und GCJZ verliehen sie von 1985 bis 2012 in Form einer Medaille. Seit 2013 erhalten die Geehrten eine von der Künstlerin Christine Braun gestaltete Skulptur aus transluzentem Beton, durchzogen von optischen Fasern. Sie nehmen bestehende Lichtquellen auf und leiten sie durch den Beton. Die Form ist offen gehalten, kann als Grundstein oder Mauerelement gesehen werden, als Schrifttafel, Buch, Rosetta-Stein oder Teilstück eines gemeinsamen Hauses.

Otto Hirsch

Otto Hirsch kam am 9. Januar 1885 in Stuttgart zur Welt. Er besuchte das Eberhard-Ludwigs-Gymnasium und studierte Rechtswissenschaften in Heidelberg, Leipzig, Berlin und Tübingen. Nach seiner Promotion 1912 begann er seine Tätigkeit bei der Stadt Stuttgart. Als Ministerialrat im württembergischen Innenministerium war er 1921 Mitbegründer der Neckar-Aktiengesellschaft, wurde jedoch 1933 von den Nationalsozialisten aufgrund seines jüdischen Glaubens entlassen. Bereits 1926 gründete er mit seinem Freund Leopold Marx das Jüdische Lehrhaus Stuttgart und wurde 1930 Präsident des Oberrats der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württembergs. Als Geschäftsführender Vorsitzender der Reichsvertretung der Deutschen Juden (1933-1941) setzte er sich unter schwierigsten Bedingungen für die verfolgten Juden ein. Mit seiner Hilfe konnten zehntausende Juden nach 1933 durch Auswanderung gerettet werden. Otto Hirsch wurde im Februar 1941 zum dritten Mal verhaftet und am 19. Juni 1941 im Konzentrationslager Mauthausen ermordet.

Weitere Informationen unter www.stuttgart.de/otto-hirsch-auszeichnung.

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