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Thomas Stangl und Claudia Steinitz erhalten Stuttgarter Johann-Friedrich-von-Cotta-Literatur- und Übersetzerpreis

Der Gemeinderat hat am 14. Mai dem Vorschlag der Jury zur Verleihung des 19. Johann-Friedrich-von-Cotta-Literatur- und Übersetzungspreises 2020 an den Schriftsteller Thomas Stangl und die Übersetzerin Claudia Steinitz zugestimmt. Der Preis ist mit insgesamt 20.000 Euro dotiert und wird seit seiner Gründung im Jahr 1978 als Auszeichnung für Literatur und Übersetzung verliehen.

"Kompromisslos gegenüber Erzählkonventionen ist Thomas Stangls Literatur immer in Bewegung", begründet die Jurorin Monique Schwitter die Entscheidung. "Ein mächtiger Bilder- und Sprachfluss; manchmal eine wahre Bilder- und Sprachflut. Immer wieder spürt Thomas Stangl verborgenes Terrain auf und legt neue Welten frei. Für diese unvertrauten Gebiete findet (und erfindet) Stangl eine höchst kunstvolle, sinnliche, dichte Sprache. Stangls Exkursionen ins ungesicherte Gelände sind gleichzeitig kluge Exkurse. Stets aufs Neue schafft er ein Spannungsverhältnis zwischen Zeit und Zeitlosigkeit. Das Verhältnis von Sprache und Wirklichkeit gerät durcheinander. Aus den Beschreibungen entwickelt sich Bedeutung. Tänzelnd stellt die Sprache neue Zusammenhänge her und schafft Erkenntnis."

Bei der Übersetzerin Claudia Steinitz würdigt die Jury ausdrücklich auch deren Lebenswerk: "Seit mehr als dreißig Jahren verleiht die aus Berlin stammende Übersetzerin Claudia Steinitz der Literatur französischer Sprache im Deutschen Stimme und Gewicht. Besondere Berücksichtigung seitens der Jury fand ihre Übersetzung der 'Subutex'-Romane von Virginie Despentes: In ihrer Trilogie 'Das Leben des Vernon Subutex' treibt die Autorin die Handlung durch unterschiedlichste Schichten und Milieus der französischen Hauptstadt. Ständig wechselnde Erzählstimmen aus bürgerlichem Milieu und Künstlerkreisen, Subkultur und Unterwelt lassen ein Sittengemälde spätkapitalistischer Gesellschaften entstehen, dessen Polyphonie allerhöchste Ansprüche an die Übersetzung stellt. Mit hohem sprachlichem Einfühlungsvermögen und großer Stilsicherheit trifft Claudia Steinitz hier in jedem Moment den richtigen Ton und vermag den Texten der französischen Erfolgsschriftstellerin die authentische Prägung eines zweiten Originals zu verleihen."
 
Der Jury gehörten - neben den Mitgliedern des Gemeinderats Dr. Christine Lehmann, Jürgen Sauer, Guntrun Müller-Enßlin - die Lektorin Juliane Schindler, die Schriftstellerin Monique Schwitter, der Übersetzer Christian Hansen und der Literaturkritiker Dr. Stefan Kister sowie - als Vorsitzender - der Erste Bürgermeister Dr. Fabian Mayer an.

Die Preisträger

Thomas Stangl, 1966 in Wien geboren, studierte Philosophie sowie Hispanistik und lebt in Wien. Für sein Werk erhielt er unter anderem den Aspekte-Preis 2004, den Literaturpreis der deutschen Wirtschaft 2007, den Telekom-Austria-Preis beim Bachmann-Preis 2007, den Alpha-Literaturpreis 2010, den Erich-Fried-Preis 2011, den Wortmeldungen-Literaturpreis und den Schillerpreis (beide 2019). Er veröffentlichte bisher die Romane "Der einzige Ort" (2004), "Ihre Musik" (2006), "Was kommt" (2009), "Regeln des Tanzes" (2013) und "Fremde Verwandtschaften" (2018) sowie die Essaybände "Reisen und Gespenster" (2012) und "Freiheit und Langeweile" (2016) und den Band mit Erzählungen "Die Geschichte des Körpers" (2019).


Claudia Steinitz, 1961 in Berlin geboren, erklärte ihren Eltern mit 16 Jahren, sie habe außer dem Französischen (der Sprache ihrer Großmutter) und der Literatur keine Interessen, auf denen sich ein Leben aufbauen lasse. Folgerichtig studierte sie Romanistik und ging einen ungewöhnlich geradlinigen Weg zum Beruf der Literaturübersetzerin, den sie inzwischen seit mehr als dreißig Jahren ausübt. Überwogen anfänglich noch Filmdrehbücher, Romane und Kinderbücher aus dem Italienischen, verschob sich der Schwerpunkt bald zur französischen Literatur. Zu den ihr wichtigsten Autorinnen und Autoren aus Frankreich gehören Yanick Haenel, Nancy Huston und Véronique Olmi. In den letzten Jahren teilten sich zwei starke und sprachmächtige Schriftstellerinnen den Platz auf ihrem Schreibtisch und in ihrem Übersetzerinnenherz, Albertine Sarrazin (1937-1967) und Virginie Despentes.

Die festliche Preisverleihung an Thomas Stangl und Claudia Steinitz im Großen Sitzungssaal des Rathauses der Stadt Stuttgart ist für den Herbst 2020 geplant. Der Termin wird rechtzeitig bekanntgegeben. Weitere Informationen auf www.stuttgart.de/cotta-literaturpreis.

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