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Landeshauptstadt Stuttgart

Erinnerungskultur

Relief vom ehemaligen Gasthaus „Drei Mohren" stammt aus dem 19. Jahrhundert

Die Herkunft des Reliefs vom Gasthaus „Drei Mohren“ ist geklärt, die Ergebnisse liegen nun vor. Das Relief war wegen einer Renovierung vor der Eröffnung der heutigen Bar „Das Juwel“ von der Fassade in der Pfarrstraße entfernt worden.

Bei der Darstellung der drei schwarzen Menschen handelt es sich um ein sprechendes Wirtshausschild, das den Namen der Gaststätte illustriert.

Da das Alter und die Bedeutung der Darstellung unklar waren, hatte das Kulturamt der Stadt Stuttgart eine restauratorische Prüfung in Auftrag gegeben.

Entgegen erster Spekulationen ist das Vorgänger-Gasthaus „Zu den drei Mohren“ am ehemaligen Standort Friedrichstraße 37 erst im späten 19. Jahrhundert nachgewiesen. Die historischen Quellen zeigen, dass die Betreiber Rummetsch der Wirtschaft diesen Namen gaben und 1874 ein entsprechendes Wirtshausschild anbrachten. In den Jahrbüchern der württembergischen Rechtspflege aus dem Jahr 1899 werden die „drei Gipsfiguren" erstmals erwähnt.

Das Gebäude in der Friedrichsstraße wurde 1977 abgerissen. Die Fassade lagerte man ein. 1990 wurde in der Pfarrstraße die neue Gaststätte namens „Drei Mohren" mit dieser Fassade und dem daran angebrachten Relief eröffnet. Wegen der Versetzung der Fassade steht das Gebäude nicht mehr auf der Liste der Kulturdenkmale.

Heutiges Relief ist ein Abguss des Originals

Das Relief sollte ursprünglich den Namen des Gasthauses illustrieren.

Die restauratorische Untersuchung zeigt, dass das Relief, das sich zuletzt am Gebäude in der Pfarrstraße befand, lediglich ein Abguss des Originals ist. Die Replik wurde vermutlich im Zuge der Versetzung der Fassade des Gebäudes Jahr 1977 angefertigt. Der Abguss besteht aus einem roten Material, vermutlich einer kunstharzgebundenen Masse. Verschmutzungen und ausgebesserte Schäden an den Fassungen deuten darauf hin, dass es über einen längeren Zeitraum der Witterung ausgesetzt war.

Eine zweite Replik befindet sich ebenfalls in den Räumen der Städtischen Wohnungsbaugesellschaft. Der Verbleib des Originals ist unbekannt.

Eine koloniale Darstellung des 19. Jahrhunderts

Bei der Darstellung der drei schwarzen Menschen handelt es sich um ein sprechendes Wirtshausschild, das den Namen der Gaststätte illustriert. Diese Namensgebung, die in den historischen Adressbüchern Stuttgarts ab dem Jahr 1876 vermerkt ist, passt in eine Zeit, in der koloniale Darstellung und koloniales Gedankengut weit verbreitet waren. Werbedarstellungen trugen in Europa zur Verfestigung von stereotypen Vorstellungen über schwarze Menschen bei. Eine koloniale Sicht auf andere Völker war damals keine Seltenheit. 1874 gab es die erste Völkerschau der Firma Hagenbeck in Hamburg. 1881 fand in Stuttgart die erste Zurschaustellung von Menschen in Nills Tiergarten statt.

Marc Gegenfurtner, Leiter des Kulturamtes: „Es hilft künftigen Diskussionen sicherlich, dass die Herkunft und der kulturhistorische Hintergrund des Reliefs nun identifiziert sind. Wir wollen es dabei allerdings nicht bewenden lassen. Weitere Forschungen und eine Veranstaltung sollen sich damit auseinandersetzen, wie sich das Denken in der Entstehungszeit des Reliefs darstellte – und wie vor allem ein zeitgemäßer Umgang damit aussehen kann.“
Zur Erforschung der Rolle Stuttgarts als Ort kolonialen Denkens haben das Stadtarchiv Stuttgart und die Koordinierungsstelle Erinnerungskultur die Vorstudie „Kolonialistisches Denken und Kolonialkultur in Stuttgart“ vorgelegt. Derzeit entsteht eine umfassende Dissertation zu dem Thema „Stuttgart als Knotenpunkt des Kolonialen“ in Kooperation mit der Universität Freiburg.

Weiterführende Studie und Diskussionsveranstaltung

Das Kulturamt nimmt die Diskussionen um das Relief zum Anlass, eine weiterführende Studie zu historischen Darstellungen schwarzer Menschen in Stuttgart zu vergeben. Darin soll neben dem Relief auch die Entstehung, Bedeutung und Wirkung des ehemaligen Möhringer Stadtwappens miteinbezogen werden.

Darüber hinaus soll im Juli im Lindenmuseum in einer Veranstaltung öffentlich diskutiert werden, wie zukünftig mit kolonialen Spuren in Stuttgart umgegangen werden kann.

Titel der Veranstaltung:
„Koloniale Spuren in Stuttgart - Kann das einfach weg? Herausforderungen einer guten Erinnerungskultur“
Termin: Mittwoch, den 5. Juli 2023, 18 Uhr

Mitwirkende:
Einführung und Vorstellung: Marina Silverii, Stadträtin
Wissenschaftlicher Input: Markus Himmelsbach, Provenienzforscher im Linden-Museum

Podiumsgespräch mit folgenden Teilnehmenden:
Inés de Castro, Direktorin Linden-Museum
Farina Görmar, Afrokids International e.V.
Nadine Seidu, Leiterin Koordinierungsstelle Erinnerungskultur
Jitka Sklenárová, Stadträtin

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Bildnachweise

  • Max Kovalenko
  • Max Kovalenko/Stadt Stuttgart
  • Jürgen Pollack/Stuttgart Marketing
  • Saeed Kakavand/StadtPalais
  • martinlorenz.net/Stadtbibliothek Stuttgart yi architects