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Landeshauptstadt Stuttgart

Interview

„Klimaschutz schmeckt knackig frisch“

Interview mit Sabine Weick, Koordinatorin für klimafreundliche Ernährung

Seit vergangenem November arbeitet die Ökotrophologin in ihren neuen Job bei der Stadt. Im Interview geht sie auf die Verantwortung ein, die jeder Einzelne mit seinem Konsumverhalten trägt und erläutert, was das Bekenntnis von Verwaltung und Gemeinderat zur Foodsharing‐ Stadt bedeutet.

Sabine Weick ist es wichtig, die Öffentlichkeit - über unterschiedliche Kanäle. für das Thema klimafreundliche Ernährung zu sensibiliseren.

Frau Weick, was haben Sie heute gefrühstückt?

(lacht) Nichts.

Dann erübrigt sich wohl die Frage, wie klimafreundlich Sie dabei gewesen sind.

Bis jetzt, es ist kurz vor 11 Uhr, bin ich sehr klimafreundlich unterwegs. Ernährungstechnisch gesehen habe ich noch keine Emissionen verursacht.

War das heute eine Ausnahme? Oder aus welchen Gründen verzichten Sie auf das Frühstück?

Aus purer Gewohnheit. Meistens esse ich das erste Mal am Tag zu Mittag in der städtischen Kantine, die ein sehr gutes, oft auch veganes, Angebot bereithält. Abends kochen wir dann zuhause.

Sind sie als überzeugte Veganerin dann eher eine anstrengende oder eine angenehme Tischpartnerin?

(lacht) Das sollte man wohl andere fragen. Jedenfalls essen viele meiner Freunde – und sie sind es bis heute – Fleisch.

Bekehren liegt Ihnen also nicht.

Zumindest sage ich in der Regel nichts zum Essen anderer. Schon gar nicht während des Essens. Aber ich versuche natürlich, durch vorbildliches Verhalten zu überzeugen. Positive Anreize zu setzen, funktioniert meiner Erfahrung nach besser, als den Zeigefinger zu erheben.

Wenn Sie von gesunder Ernährung sprechen, haben Sie zwei Aspekte vor Augen: gesund für Sie und gut für den Planeten. Wie verhalten sich Kauf‐ und Essverhalten zum Klimaschutz?

Jedes Lebensmittel, egal ob pflanzlich oder tierisch, muss produziert, verarbeitet, gelagert und transportiert werden. So kommt es irgendwann in unsere Haushalte, wo es in der Regel nochmals lagert, bevor es zubereitet und verspeist wird. Wiederum ein Teil davon – wir sprechen hier von einem Lebensmittel, in das viel Arbeit gesteckt wurde, dessen Herstellung Energie verbraucht und Treibhausgasemissionen verursacht hat – landet mit großer Wahrscheinlichkeit im Abfall. Deswegen halte ich es für wichtig, zu wissen, was wir konsumieren. Sich im Supermarkt für ein pflanzliches Produkt zu entscheiden, ist fast immer besser fürs Klima, als tierische Produkte zu kaufen.

Geht es um die Zukunft des Planeten, müssten wir also alle vegetarisch oder vegan leben?

Es gibt immer den Optimalfall. Dieser ist aber unrealistisch und bleibt wohl Vision. Daneben gibt es jedoch Ernährungsempfehlungen, wie die Planetary Health Diet, ein von Expertinnen und Experten erarbeiteter Speiseplan, der die gesundheitlichen Aspekte ebenso berücksichtigt wie die Grenzen unseres Planeten. Danach ist maximal die Hälfte des heutigen Fleischkonsums verträglich. Eine zukunftsfähige Ernährung besteht aus mehr Hülsenfrüchten, Gemüse und Getreideprodukten auf dem Teller, gepaart mit Nüssen, Ölsaaten und ‐samen.

Wie machen Sie das einem Fleischesser schmackhaft?

Der Klimaschutz schmeckt bunt, knackig und frisch. Ich stelle mir eine Bowl mit Roter Beete, Karotten, Gurken, ein bisschen Hirse vor, dazu ein paar Kidneybohnen oder Kichererbsen, darüber geröstete Sonnenblumenkerne oder frische Minzblätter.

Haben Sie Tipps für uns, wie der Einstieg zu mehr Klimaschutz auf dem Teller gelingt?

Manchen fällt es leichter, wenn sie zunächst pflanzliche Alternativen wählen, also etwa Haferdrink statt Kuhmilch kaufen. Auch kann man für den Einstieg eine Veggie‐ statt eine Rindswurst in den Einkaufswagen legen. Allerdings ist das zunächst nur ein 1:1-Ersatz. Langfristig ist es sinnvoll, sich gesund, vollwertig und nachhaltig zu ernähren.

Klimafreundliche Ernährung: Kurz nachgefragt bei Sabine Weick

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Es gibt auch negative Beispiele vegetarischer oder veganer Ernährung. So fallen junge Menschen ins Untergewicht oder haben bereits Teenager gesundheitliche Probleme.

Ernähre ich mich von Chips und Cola, lebe ich vegan, aber nicht gesund. Es geht nicht ums Weglassen, sondern darum, Lebensmittel durch gesunde Alternativen zu ersetzen. Ein tolles Beispiel dafür ist die indische Küche mit ihrer riesigen Auswahl an fleischlosen, würzigen und vollwertigen Gerichten. Die Mehrheit der indischen Bevölkerung ernährt sich übrigens vegetarisch.

Sie nehmen bei der klimafreundlichen Ernährung jeden Einzelnen in die Verantwortung. Welche Rolle kommt aber der Stadtverwaltung zu, dass sie eigens eine Koordinatorin für klimafreundliche Ernährung beschäftigt?

Ernährung ist ein Querschnittsthema, das in ganz vielen Bereichen des öffentlichen Lebens eine bedeutende Rolle spielt. Allein innerhalb der Stadtverwaltung gibt es viele Abteilungen, die sich mit Ernährungsfragen beschäftigen. Das fängt bei der Betriebskantine an, geht über die Schulverpflegung und hört beim Betrieblichen Gesundheitsmanagement lange nicht auf.

Sie wirken also nach innen und nach außen. Wie werden Sie denn von der Stadtgesellschaft aufgenommen?

Das Thema Ernährung ist aktueller denn je. Ich habe den Eindruck, die Menschen haben auch Lust darauf, mitzumachen. Mein Eindruck ist, dass die Öffentlichkeit aufgeschlossener ist, als es manche Prozesse und Strukturen derzeit zulassen.

Gemeinderat und Verwaltung haben jüngst einstimmig beschlossen, als erste deutsche Großstadt die Motivationserklärung als Foodsharing‐Stadt zu unterschreiben. Wie wichtig ist dieses Bekenntnis für die Akteure in der Stadt?

Ziel des deutschlandweiten Vereins Foodsharing mit einer Regionalgruppe in Stuttgart ist es, Lebensmittel vor der Mülltonne zu retten. Dazu werden Kooperationen mit Supermärkten, Bäckereien oder auch Restaurants geschlossen, in denen am Ende des Tages übrige Lebensmittel abgeholt werden. Zum Teil erledigen dies Privatpersonen, ein Teil landet aber auch in sogenannten Fairteilern. Dort kann sich jeder bedienen. Das Bekenntnis zur Foodsharing‐Stadt setzt ein wichtiges Zeichen. Nicht zuletzt, weil es den Ehrenamtlichen Wertschätzung entgegenbringt, sie unterstützt und hinterfragt, was wir als Stadt noch mehr machen können, beispielsweise in der Bildung.

Warum ist das so wichtig?

In Deutschland werden jährlich elf bis 18 Millionen Tonnen Lebensmittel weggeworfen. Davon wären zehn Millionen vermeidbar, wovon wiederum 60 Prozent auf private Haushalte zurückzuführen sind. An den Zahlen erkennt man leicht, wie wichtig es ist, die Öffentlichkeit zu sensibilisieren.

(Interview: Dominik Thewes)

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