Die Strecke, die am Stadion entlang die Sportanlagen auf der Waldau verbindet, hat Dr. Clemens Maier, Bürgermeister für Sicherheit, Ordnung und Sport, als Fritz-Kerr-Weg eingeweiht. Auf Initiative des Bezirksbeirats Degerloch hatte der Verwaltungsausschuss die Benennung im Mai 2024 beschlossen. Das neue Straßenschild am Stadion würdigt nun den Trainer, der mehrfach das sportliche Geschehen bei den Stuttgarter Kickers prägte, und seinen bewegten Lebensweg.
Sportbürgermeister Dr. Clemens Maier„Heute bekommt dieser bereits seit langem bestehende Weg einen offiziellen Namen. Der Straßenname ist aber nicht nur der Abdruck der Buchstaben auf dem Straßenschild. Er ist ein wichtiger Teil der Identität unserer Stadt. Denn Straßenbezeichnungen erzählen von Menschen, Orten und Ereignissen, die uns und die Geschichte unserer Stadt geprägt haben.“
Das Wirken des ehemaligen Trainers betonte auch der Präsident des Vereins, Prof. Dr. Rainer Lorz, der bei der Feier vor Ort das Leben und die Bedeutung Fritz Kerrs in Erinnerung rief. Fritz Kerr wurde am 2. April 1892 in Wien geboren. Er hatte jüdische Wurzeln, arbeitete zunächst als „kaiserlich und königlicher“ Zolldeklarant. Der Fußball war immer mehr als eine Leidenschaft für ihn, der Sport wurde für den talentierten jungen Mann zur Berufung. Ab 1916 spielte er beim Wiener AC und dem jüdischen Verein Hakoah Wien. Für die österreichische Nationalmannschaft absolvierte er noch während der Kaiserzeit sieben Länderspiele.
Leidenschaft für den Fußball
1921 begann Kerrs internationale Karriere als Fußballtrainer. Über Wien, Polen und Estland führte sie ihn 1927 nach Stuttgart. Bis 1929 trainierte er erstmals die Stuttgarter Kickers und wurde mit den „Blauen“ 1928 Württembergischer Meister. Der Verein profitierte nicht nur von seinem Fußball-Sachverstand, Kerr agierte laut Arbeitsvertrag damals zugleich als Zeugwart und Physiotherapeut. Aus persönlichen Gründen siedelte er 1929 nach Buenos Aires über und setzte dort seine berufliche Tätigkeit fort.
Doch schon 1930 kehrte Fritz Kerr als Nationaltrainer Estlands nach Europa zurück und wechselte im darauffolgenden Jahr ins Elsass zum FC Mulhouse. 1932 übernahm er erneut den Trainerposten bei den Stuttgarter Kickers. Allerdings durfte er seinen Beruf nicht lange ausüben. In der Zeit des Nationalsozialismus verpflichtete sich der Sportverein 1933 dazu, jüdische
Mitglieder auszuschließen. In Kerrs Arbeitszeugnis wurde zynisch verlautbart, dass er „…auf seinen Wunsch aus unseren Diensten geschieden ist.“ Im Mai 1933 wurde Fritz Kerr aus Rassegründen verhaftet, ihm gelang aber die Flucht in die Schweiz.
Dort setzte er seine Trainer-Tätigkeit zunächst beim FC Aarau fort und gewann – nach einer Zwischenstation im Elsass bei Racing Strasbourg – 1939 in der Schweiz den nationalen Vereinspokal mit dem FC Lausanne-Sport, bevor er zum FC Aarau zurückkehrte und Verantwortung für den Spielbetrieb aller Mannschaften übernahm. Der Vermerk „J“ im Pass für Jude wurde ihm jedoch erneut zum Verhängnis. Es brandmarkte ihn als Staatenloser. Im Dezember 1939 emigrierte Fritz Kerr nach Argentinien. Dort lebten bereits seine Geschwister.
Die Liebe zum Fußball ließ ihn nicht los und führte zu Kerrs Entschluss, 1951 erneut nach Europa zurückzukehren. Die „Blauen“ von Degerloch empfingen ihn mit offenen Armen und verpflichteten ihn für die Saison 1951/52 wieder als Trainer. Weitere Engagements in der Schweiz und Österreich folgten. Wie groß die Leidenschaft Fritz Kerrs für den Fußball war, belegt die Tatsache, dass er sein Trainerdiplom mit 60 Jahren neu erlangen musste – in der Nachkriegszeit wurden diese Diplome von jüdischen Emigranten in Österreich und Deutschland nicht anerkannt. 1963 kehrte er in seine Heimatstadt Wien zurück, wo er am 9. Oktober 1974 verstarb.