Am 15. April 2023 ging in Deutschland eine Ära zu Ende: Die letzten drei aktiven Kernkraftwerke – Neckarwestheim II, Emsland und Isar 2 – wurden endgültig abgeschaltet. Damit ist der Atomausstieg nun vollzogen. Während ihrer gesamten Betriebszeit galten für diese Anlagen strengste Sicherheitsvorgaben, die das Risiko eines Störfalls auf ein absolutes Minimum begrenzen sollten.
Nach der Abschaltung befinden sich die Anlagen im sogenannten Nachbetrieb, bis der Rückbau erfolgen kann. Da in dieser Phase noch radioaktive Stoffe in den Anlagen vorhanden sind, besteht weiterhin ein gewisses Restrisiko. Deshalb ist im Umfeld ehemaliger Kernkraftwerke weiterhin die Bereitstellung von Jodtabletten vorgesehen – in der Regel bis zu einem Jahr nach der Abschaltung, bei noch vorhandenen Brennelementen sogar bis zu drei Jahre.
Sollte es in einem – auch stillgelegten – Kernkraftwerk zu einem Störfall mit der Freisetzung von radioaktivem Jod kommen, greifen sofort Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung. Die rechtzeitige Einnahme von Jodtabletten kann verhindern, dass sich radioaktives Jod in der Schilddrüse anreichert. Deshalb lagern Städte und Gemeinden im Umfeld ehemaliger Kernkraftwerke weiterhin vorsorglich Jodtabletten ein.
Vorsorge trotz Atomausstieg weiterhin sinnvoll
Doch nicht nur das Restrisiko aus stillgelegten deutschen Kernkraftwerken macht eine vorsorgliche Lagerung von Jodtabletten erforderlich. Auch die geografische Lage Deutschlands spricht für diese Vorsorgemaßnahme: Das Land grenzt an mehrere Länder mit aktiven Kernkraftwerken, darunter Frankreich, Belgien, die Schweiz und Tschechien. Obwohl internationale Sicherheitsstandards auf hohem Niveau bestehen, lassen sich schwere Störfälle niemals vollständig ausschließen. Sollte es zu einem Ernstfall kommen, könnten radioaktive Stoffe grenzüberschreitend auch deutsche Gebiete erreichen. Die Bereitstellung von Jodtabletten bleibt daher ein zentraler Bestandteil des Bevölkerungsschutzes.
Folgende Richtlinien der Strahlenschutzkommission (SSK) gelten weiterhin:
- Planungsgebiet Außenzone (20–100 km Umkreis um ein Kernkraftwerk): Bevorratung und Ausgabe für alle Personen bis 45 Jahre und Schwangere
- Planungsgebiet Deutschland (über 100 km entfernt): Bevorratung und Ausgabe für Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre sowie Schwangere
Damit die Bevölkerung im Ernstfall geschützt ist, gibt es in Deutschland seit langem Empfehlungen der SSK für den Katastrophenschutz. Die Bundesländer setzen diese in ihren Plänen um. Es ist davon auszugehen, dass auch in Zukunft die fortgesetzte Bevorratung von Jodtabletten empfohlen wird, da die grundlegenden Risikofaktoren – Restrisiken stillgelegter Anlagen und aktive Kernkraftwerke in Nachbarländern – bestehen bleiben.
Einnahme und Wirkung von Jodtabletten
Doch warum spielen Jodtabletten bei einem radioaktiven Störfall eine so zentrale Rolle? Ihre Wirkung basiert auf dem Prinzip der Jodblockade: Wird die Schilddrüse rechtzeitig mit stabilem Jod gesättigt, kann sie kein radioaktives Jod mehr aufnehmen.
Diese Schutzwirkung wird bei Nuklearunfällen besonders relevant. Hier gelangt radioaktives Jod über die kontaminierte Atemluft in den Körper und sammelt sich ohne Gegenmaßnahmen in der Schilddrüse an. Da dieses Organ natürlicherweise Jod speichert, wird es zum bevorzugten Ziel der radioaktiven Belastung. Die Folgen zeigen sich oft erst nach Jahren in Form von Schilddrüsenkrebs und anderen schweren Erkrankungen.
Für den Notfall stehen spezielle Jodtabletten zur Verfügung, die mit 65 mg Kaliumjodid (entspricht 50 mg Jodid) pro Tablette dosiert sind. Bei der Einnahme sollte beachtet werden, dass die Jodtabletten möglichst nicht auf nüchternen Magen eingenommen werden sollten. Die Tabletten können sowohl direkt geschluckt als auch in Flüssigkeit aufgelöst eingenommen werden.
Dosierung | Menge |
---|---|
Säuglinge bis zu einem Monat | 1/4 Tablette |
Kleinkinder über ein Monat bis drei Jahre | 1/2 Tablette |
Kinder über drei bis zwölf Jahre | 1 Tablette |
Personen von 13 bis 45 Jahren | 2 Tabletten |
Schwangere und Stillende erhalten die gleiche Joddosis wie Erwachsene (zwei Tabletten). Erwachsene über 45 Jahren sollen keine Jodtabletten einnehmen, da bei ihnen das Gesundheitsrisiko für schwerwiegende Schilddrüsenerkrankungen (zum Beispiel durch Jod ausgelöste Schilddrüsenüberfunktion) infolge der Tabletteneinnahme höher ist als das Strahlenrisiko durch Einatmen von radioaktivem Jod.
Jodausgabe in Ihrer Nähe
Jodausgabestellen in Stuttgart
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Information der Bevölkerung im Ereignisfall
Im Ereignisfall wird die Bevölkerung über Rundfunk und Fernsehen sowie über Warnapps und Lautsprecherdurchsagen informiert. Hören Sie gut zu und folgen Sie den Anweisungen. Wenn Sie dazu aufgefordert werden, gehen Sie bitte zu Fuß zu den Ausgabestellen. Die Ausgabe der Jod-Tabletten an den Anlaufstellen bedeutet nicht gleichzeitig die Einnahme. Bitte verfolgen Sie die Rundfunk- und Fernsehdurchsagen, bis die Einnahme der Tabletten ausdrücklich angeordnet wird.
Zone weniger als 100 km vom Kraftwerk
Zone mehr als 100 km vom Kraftwerk
Weitere Informationen
- Informationsbroschüre der EnBW (Öffnet in einem neuen Tab)
- Jodmerkblatt für die BevölkerungPDF-Datei1,70 MB
- Einnahme von JodtablettenPDF-Datei999,30 kB
- Beipackzettel Jodtabletten deutschPDF-Datei1,21 MB
- Beipackzettel Jodtabletten englischPDF-Datei1,17 MB
- Beipackzettel Jodtabletten türkischPDF-Datei1,31 MB
- Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (Öffnet in einem neuen Tab)
- Kernkraftwerk Neckarwestheim (Öffnet in einem neuen Tab)