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Landeshauptstadt Stuttgart

Presse

Livestream-Buchvorstellung „Erinnern in Auschwitz – auch an sexuelle Minderheiten“

und anschließendes Gespräch zum Gedenktag der Befreiung am 27. Januar

Zum Gedenktag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz am 27. Januar 1945 findet am Sonntag, 24. Januar, 16 bis 17.30 Uhr die Livestream-Buchvorstellung mit anschließendem Gespräch statt.

Die Autorin Dr. Anna Hájková, Großbritannien, und der Herausgeber Dr. Lutz van Dijk, Südafrika, werden das Buch „Erinnern in Auschwitz – auch an sexuelle Minderheiten“ bei der Online-Veranstaltung vorstellen. Die Veranstaltung ist eine Initiative des Lern- und Gedenkorts Hotel Silber und des Netzwerks LSBTTIQ Baden-Württemberg. Die Veranstaltung wird im Internet unter  www.zentrum-weissenburg.de (Öffnet in einem neuen Tab) im Rahmen des Gedenktags an die Opfer der nationalsozialistischen Diktatur gezeigt. Die Abteilung für individuelle Chancengleichheit von Frauen und Männern der Stadt Stuttgart ist eine Kooperationspartnerin der Veranstaltung.

Ute Reisner und Joachim Stein von der Themengruppe Geschichte des Netzwerks LSBTTIQ Baden-Württemberg moderieren das Gespräch, das thematisiert, warum erst in den vergangenen Jahren sexuelle und geschlechtliche Minderheiten in der öffentlichen Erinnerungskultur einbezogen werden konnten und wie eine Erinnerungskultur jenseits von Opferhierarchien aussehen kann. Noch immer wird um eine angemessene Berücksichtigung am Auschwitzgedenktag im Deutschen Bundestag wie auch in der Gedenkstätte des Konzentrationslagers Auschwitz in Polen gerungen. Und noch immer gehören ausgrenzende Sexual- und Geschlechterrollen neben Antisemitismus und Rassismus zum Kern des faschistischen Weltbilds. Sie sind wesentlicher Bestandteil demokratiefeindlicher Aktivitäten und Propaganda rechtspopulistischer Kräfte, die nicht nur am Auschwitz-Gedenktag zum aktiven Entgegentreten herausfordern.

Symbol für menschliche Grausamkeit

Am 27. Januar 1945 wurde das größte Vernichtungslager der NS-Diktatur, das Konzentrationslager Auschwitz, befreit. Auschwitz steht als Symbol dafür, welche Grausamkeit Menschen anderen Menschen antun können und insbesondere für den Massenmord an Menschen jüdischer Abstammung und/oder Glaubens sowie an Angehörigen der Sinti und Roma. Seit 1996 wird in Deutschland jährlich am 27. Januar an alle Opfer der nationalsozialistischen Diktatur erinnert.

Beatrice Olgun-Lichtenberg von der Abteilung für individuelle Chancengleichheit von Frauen und Männern sagt: „Am diesjährigen Auschwitz-Gedenktag wollen wir durch die Buchvorstellung neue Forschungsergebnisse zu den im Konzentrationslager Auschwitz inhaftierten gleichgeschlechtlich liebenden Frauen und Männern einer breiteren Öffentlichkeit bekanntmachen. Dadurch wird die queere Verfolgungsgeschichte der NS-Zeit auf bewegende Weise sichtbar.“

Das Schicksal des Stuttgarter Kellners Karl Zeh

Wie in Stuttgart nach 1945 mit einem Überlebenden der mittlerweile 136 namentlich bekannten „Rosa-Winkel-Häftlingen“ des KZ Auschwitz umgegangen worden ist, zeigt das Beispiel des im Buch erwähnten Stuttgarter Kellners Karl Zeh. Sein Antrag auf Entschädigung für die erlittene KZ-Haft wird 1950 abgelehnt. Seine Klage dagegen weist das Landgericht Stuttgart im Oktober 1950 „als unbegründet“ ab, da er „als Homosexueller in Haft gehalten“ worden sei. Er war 1940 vor seiner KZ-Einweisung zunächst wegen homosexuellen Handlungen ins „Hotel Silber“, dem Sitz der Gestapo in Württemberg und Hohenzollern, gebracht und 1949 durch das Stuttgarter Landgericht wegen des Paragrafen 175a im Strafgesetzbuch, der „sexuelle Handlungen zwischen Personen männlichen Geschlechts“ unter Strafe stellte, erneut zu Gefängnishaft verurteilt worden.

Es sollte noch Jahrzehnte dauern, bis das Unrecht gegenüber sexuellen und geschlechtlichen Minderheiten in der NS- und Nachkriegszeit Thema der öffentlichen Erinnerungskultur in Stuttgart wurde. „Ein wichtiger Meilenstein hierfür war 2010 die im Stuttgarter Rathaus gezeigte Ausstellung zur Homosexuellenverfolgung in der NS-Zeit. Ihr folgte 2017 das Internetprojekt ‚Der Liebe wegen‘ ( www.der-liebe-wegen.org (Öffnet in einem neuen Tab)) mit Biografien aus dem deutschen Südwesten sowie 2018 die Dauerausstellung im ehemaligen Gestapogebäude ‚Hotel Silber‘. Hier zeigen wir auch brisante Dokumente zu Karl Zeh“, so Ralf Bogen, einer der Projekt-Beteiligten und Initiator der Auschwitz-Online-Gedenktagveranstaltung.

Parallel zur Lesung werden erste Zwischenergebnisse aus einem Forschungsprojekt zur „Auffindbarkeit lesbischer Frauen in Psychiatrien im Nationalsozialismus“ auf der Seite des Hotel Silber unter  www.geschichtsort-hotel-silber.de (Öffnet in einem neuen Tab) veröffentlicht.

Ursula Matschke, Leiterin der Abteilung für individuelle Chancengleichheit von Frauen und Männern, ergänzt: „Wir können bereits erste Einblicke in die Erkenntnisse des Forschungsprojekts von Claudia Weinschenk ermöglichen. Dabei geht es auch um die Sichtbarkeit sexueller Identität und Orientierung von Frauen, die gerade im Nationalsozialismus nicht in das Weltbild passte.“

Das Forschungsprojekt wird gefördert von der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg, die Bundesstiftung Magnus Hirschfeld und die Hannchen-Mehrzweck-Stiftung für homosexuelle Selbsthilfe über Weissenburg e.V. – Zentrum LSBTTQ Stuttgart.

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