Oliver Gichert sieht es schon sofort: „Dafür werde ich eine ganze Weile brauchen“, sagt er. Die lange, geschwungene Rampe, die statt der 15 Stufen von der Margaretenstraße in Untertürkheim zum Eingang des Jugendhauses Café Ratz führt. Das Gebäude mit den vielen Türen, Räumen und Etagen. Der Garten, der um das Haus herumführt zum Untergeschoss, wo es weitere Türen gibt.
Barrierefreier Online‐Stadtführer soll mobilitätseingeschränkten Menschen helfen
Etwa eine Stunde dauert es am Ende, bis der 65-Jährige alle Türen vermessen, Stufen gezählt, Ausstattung der Toiletten erfasst und Bodenbeschaffenheiten für den barrierefreien Online‐Stadtführer (Öffnet in einem neuen Tab) registriert hat. Die Idee des Portals: Stellen mit Publikumsverkehr in der Stadt auf ihre Barrierefreiheit hin zu erfassen. Für mobilitätseingeschränkte Menschen, die im Rollstuhl oder mit Gehwagen unterwegs sind, für Familien mit Kinderwagen, für Gehörlose oder Blinde hält der Online‐Stadtführer hilfreiche Informationen bereit.
1900 Punkte in Stuttgart sind schon erfasst
Oliver Gichert ist einer der Ehrenamtlichen, die mit einem mehrseitigen Erfassungsbogen, einem Maßband und dem Blick fürs Wesentliche losziehen, um den Online‐Stadtführer mit Infos zu füttern, die für Menschen mit Handicap oder Kinderwagen wichtig sind. Fünf Euro bekommt er je Eintrag als Aufwandsentschädigung. Seit drei Jahren arbeitet der Stammheimer für das Onlineportal. „Ich bin beruflich etwas kürzer getreten und wollte mich ehrenamtlich engagieren“, sagt er. Er suchte auf der städtischen Homepage etwas Sinnvolles, das er sich zeitlich flexibel einteilen kann. „Da bin ich beim Online‐Stadtführer hängen geblieben.“ Die Idee hat ihm gefallen: „In einer älter werdenden Gesellschaft ist das eine sinnvolle Sache“, erklärt Gichert. 1900 Punkte sind in dem Portal mittlerweile erfasst, vom Café über Kirchen oder Kindergärten bis zum Rathaus. Viele davon hat der Stammheimer vermessen.
Alexandra Sußmann, Bürgermeisterin für Soziales, Gesundheit und IntegrationBarrierefreiheit ist die Grundlage von Teilhabe.
„Der Online‐Stadtführer soll helfen, in Stuttgart bessere Orientierung und Mobilität zu erreichen. Für den außerordentlichen Einsatz bedanke ich mich ganz herzlich bei den ehrenamtlichen Bürgerinnen und Bürgern!“, sagt Alexandra Sußmann.
Auch kleine Maßnahmen für Barrierefreiheit können viel bewirken
Die detaillierten Angaben über die Zugänglichkeit von Gebäuden und Einrichtungen, sagt Jennifer Langer, die städtische Beauftragte für die Belange von Menschen mit Behinderung, „ermöglichen es Menschen einzuschätzen, ob und wie sie für sich die Zugänglichkeit beurteilen“. Sie hoffe, „dass sich dadurch noch mehr Geschäfte, Kultureinrichtungen, Hotels, Restaurants und weitere Einrichtungen in der Stadt motiviert fühlen, sich barrierefrei auszurichten. Oft helfen schon kleine Maßnahmen, damit viele Menschen Angebote besser nutzen können.“
Ein elf Seiten langes Formular füllt Gichert für die Einrichtungen aus mit den Kennwerten, die später online zur Verfügung gestellt werden. Bei kleinen Imbissbuden ohne Kundentoilette kann das fix gehen, für andere braucht er viel Zeit. „Je älter und verwinkelter die Gebäude sind, desto länger dauert es“, so Oliver Gichert. Dabei ist er ganz schön herumgekommen in der Stadt. Fertig wird man bei der Größe Stuttgarts mit der Aufgabe ohnehin nicht. Aber aufgeben ist keine Option.
Die Stadt sucht immer neue Helferinnen und Helfer
Für den Online‐Stadtführer sucht die Landeshauptstadt noch Helferinnen und Helfer, die gerne unterwegs sind und sich sozial engagieren möchten. Für jede Erhebung bezahlt die Stadt fünf Euro als Aufwandsentschädigung. Interessierte können sich unter der E‐Mail‐Adresse info.bhb.stuttgartde melden.