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Landeshauptstadt Stuttgart

Internationales

Ein Jahr Krieg gegen die Ukraine: Verwaltung zieht Bilanz zum Jahrestag

Der völkerrechtswidrige Angriff Russlands auf die Ukraine jährt sich am 24. Februar 2023 erstmals. Die Folgen sind auch in Stuttgart zu spüren, etwa durch direkte oder indirekte Belastungen für die Bevölkerung oder strukturelle Veränderungen für die Verwaltung, wie eine Bilanz der Landeshauptstadt zeigt.

Auch in Stuttgart gibt es eine große Welle der Hilfsbereitschaft und Solidarität für Geflüchtete aus der Ukraine.

Oberbürgermeister Dr. Frank Nopper sagte: „Unsere Herzen sind seit dem Tag des russischen Angriffs auf die Ukraine blau-gelb gefärbt. Wir stehen nach wie vor ganz fest an der Seite der Ukraine. Dies kommt auch dadurch zum Ausdruck, dass wir anlässlich des Jahrestages des Angriffs gemeinsam mit Straßburg und Dresden eine Solidaritäts-Städtepartnerschaft mit der ukrainischen Stadt Chmelnyzkyi begründen wollen. Die Auswirkungen des Krieges stellen uns alle vor große Herausforderungen – die Menschen vor Ort in der Ukraine weit mehr als uns hier in Stuttgart. Der Zuzug von Geflüchteten aus der Ukraine bindet bei unserer Stadtverwaltung sehr stark Kräfte, die an anderer Stelle fehlen. Wir bitten deswegen die Bürgerinnen und Bürger um Verständnis und Geduld.“

Schulterschluss der Ämter zur Aufnahme und Versorgung der Geflüchteten

Dass der Krieg, den Russland in der Ukraine entfacht hat, nicht in der Ferne liegt, zeigte sich rasch in Stuttgart. In nur wenigen Tagen wurde unter der Leitung des Sozialamts eine sehr gut funktionierende Stabsstruktur etabliert, durch die ein schnelles Agieren der Stadtverwaltung sichergestellt werden konnte. Bereits am 11. März 2022 rief die Landeshauptstadt eine Außergewöhnliche Einsatzlage (AEL) aus, um die schnell mehr werdenden Geflüchteten organisiert aufnehmen und versorgen zu können:

  • Die Branddirektion als untere Katastrophenschutz-Behörde hat den Einsatz der Hilfsorganisationen, verschiedener Ämter und Firmen gemeinsam mit dem Sozialamt koordiniert. Es galt, auf die Schnelle Sport- und Lagerhallen in Notunterkünfte umzubauen, die medizinische Versorgung der Geflüchteten sicherzustellen und Logistikaufgaben zu übernehmen. Zusätzlich sind Verbindungsbeamte und Unterstützungskräfte für das Sozialamt bereitgestellt und das Ankunftsmanagement am Stuttgarter Hauptbahnhof unterstützt worden.
  • Innerhalb kurzer Zeit haben unterschiedliche Bereiche des Referats Soziales und gesellschaftliche Integration in enger Zusammenarbeit mit Bürgerinnen und Bürgern das „Netzwerk Ukraine“ auf die Beine gestellt, um die Geflüchteten und relevante Akteure mit aktuellen Informationen zu Aufenthalt, Unterbringung, Sprachförderung und weiteren  Integrationsmaßnahmen zu versorgen. Die Abteilung Integrationspolitik hat für „Arrival Ukraine“ einen Pool mit ukrainisch- und russischsprachigen Dolmetscherinnen und Dolmetschern eingerichtet, um einen reibungslosen Ablauf zu gewährleisten.
  • Innerhalb des „Netzwerks Ukraine“ hat die Engagementförderung von Sozialamt und Haupt- und Personalamt mit den Fachstellen verschiedener Ämter und der Bürgerstiftung Stuttgart, dem Ausbildungscampus Stuttgart, dem Freiwilligenzentrum Caleidoscop und vielen Initiativen der ukrainischen Gemeinschaft eine Hotline ins Leben gerufen und die wichtigsten Informationen auf einer Homepage zur Verfügung gestellt.
  • Das Amt für öffentliche Ordnung gehörte ebenfalls zu den „Erstreaktionskräften“. Um für eine geordnete Aufnahme zu sorgen, waren für das Ankunftszentrum „Arrival Ukraine“ von Beginn an Räume, Möbel, Technik und mehrsprachiges Personal zur Registrierung und Identifizierung der Neuankömmlinge erforderlich. Bei der Etablierung des Zentrums übernahm die Abteilung Strategische Sozialplanung des Sozialamts eine koordinierende Rolle.
  • Innerhalb kürzester Zeit hat das Sozialamt Ukraine-Teams gebildet, um eine schnelle Erstversorgung zu gewährleisten. Als „Pop-up-Sozialamt“ haben mobile, interdisziplinäre Teams schon ab dem 17. März die in Stuttgart aufgenommenen Schutzsuchenden vor Ort aufgesucht, sie beraten, Anträge entgegengenommen und Scheckauszahlungen veranlasst. Positiv wertet das Amt die in der Folge eingerichtete Erstanlaufstelle „Arrival Ukraine“ für alle Neuankömmlinge aus der Ukraine, in der die Ausländerbehörde erfolgreich Hand in Hand mit dem Sozialamt arbeitet, das insbesondere für Unterbringungen und Sozialleistungen sorgt. Nützlich war die Starthilfe durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: Das BAMF stellte schnell und unbürokratisch notwendige technische Ausstattung für die erkennungsdienstliche Behandlung und bot eine Schulung an. Ein Erfolg war in diesem Zusammenhang auch die enge Zusammenarbeit mit dem Regierungspräsidium Stuttgart und der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW). Jedoch ist die Ausländerbehörde nach wie vor auf tatkräftige Unterstützung angewiesen. Wegen der großen Fallzahlen sucht die Stadt bis heute Aushilfen für die Erstellung von Aufenthaltstiteln.
  • Die unterbesetzten Bürgerbüros hatten alle Hände voll zu tun, die Geflüchteten melderechtlich zu erfassen. Dass die Geflüchteten zunächst keine dauerhafte Adresse hatten, sondern oft erst in eine vorübergehende Unterbringung zogen, vervielfachte den Aufwand für das Meldewesen. Zur Beschleunigung entstanden in größeren Unterkünften hierfür zeitweilig „Pop-up-Bürgerbüros“, etwa in einer Sporthalle.
  • Der Berg an zusätzlichen Aufgaben brachte auch die personell ausgedünnte Ausländerbehörde an ihre Grenze. Neben den Geflüchteten und Asylsuchenden aus anderen Ländern sind seit Kriegsbeginn rund 9.000 Personen allein aus der Ukraine nach Stuttgart gezogen. Das bedeutet in jedem Fall nach der erkennungsdienstlichen Behandlung die Meldung an das Regierungspräsidium, die Ausstellung einer Fiktionsbescheinigung, die notwendig ist, bis über die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis  entschieden ist, und die Prüfung der Anträge selbst. Zur Unterstützung mussten Kolleginnen und Kollegen innerhalb und außerhalb des Amtes für öffentliche Ordnung von ihren Tätigkeiten abgezogen und auch Fremdkräfte hinzugenommen werden.
  • Sind die Geflüchteten einmal angekommen und registriert, fächert es sich weit auf, wer sich alles in der Stadtverwaltung um ihre Bedürfnisse kümmert. Das Referat Soziales und gesellschaftliche Integration kooperiert eng mit dem Referat Wirtschaft, Finanzen und Beteiligungen, um den Menschen als Erstes ein Dach über dem Kopf zu bieten und deren Versorgung sicherzustellen. Dass dies in so großer Zahl trotz des in Stuttgart knappen Wohnraums stets gelungen ist, zählt zu den großen Errungenschaften in der Krise. Doch kommen weiterhin Geflüchtete hinzu. Daher fällt es schwer, immer wieder neue adäquate Standorte für zusätzliche Unterkünfte zu finden und herzurichten. „Es existieren in der Stadt nicht viele Gebäude, die leerstehen, oder Flächen, die ohne Hinderungsgrund unbebaut sind“, sagt Thomas Fuhrmann, Bürgermeister für Wirtschaft, Finanzen und Beteiligungen. „Unser Ziel ist die angemessene Verteilung auf die Bezirke. Aber weil die Zahl der denkbaren Standorte begrenzt ist, sind Kompromisse auf allen Seiten unvermeidlich.“ Um alle Optionen in den Blick zu nehmen und die besten Lösungen zügig umzusetzen, tagt im Rathaus eine „Task Force Flüchtlingsunterbringung“ regelmäßig mit sämtlichen beteiligten Ämtern und der Stuttgarter Wohnungs- und Städtebaugesellschaft.
  • „Stuttgart ist eine liberale, weltoffene Stadt. Hier leben Menschen aus 170 Nationen, die sich als Stuttgarterinnen oder Stuttgarter fühlen. Sie sind Teil der Bürgerschaft“, sagt Dr. Alexandra Sußmann, Bürgermeisterin für Soziales und gesellschaftliche Integration. „Aktuell leben im Zuge der Ukraine-Krise deutlich mehr geflüchtete Menschen in Stuttgart als noch vor einem Jahr. Das fordert uns auf vielen Ebenen: der Unterbringung, der Integration mit Sprach- und Integrationskursen, der Versorgung mit Kita- und Schulplätzen, der Vermittlung in Arbeit.“
  • Zur Grundversorgung gehört ebenso die medizinische Betreuung. Um der großen Zahl der Geflüchteten gerecht zu werden, hat das Gesundheitsamt mit der Stuttgarter Ärzteschaft ergänzende Angebote aufgebaut. In dem im März kurzfristig errichteten, mehrsprachigen „MedPoint Ukraine“ wurden viele Geflüchtete hausärztlich oder kinderärztlich versorgt und strukturiert in die ärztliche Regelversorgung überführt. Zudem spielt der Infektionsschutz eine wichtige Rolle im Sinne von Screenings, Aufklärung und Beratung. Um die akutmedizinische Versorgung aller Geflüchteten und deren Überweisung ins Regelsystem zu vereinfachen, wurden ab Ende November mit der Stuttgarter Ärzteschaft in der „Fieberambulanz Neckarpark“ Sprechstunden mit Dolmetscherinnen und Dolmetschern für geflüchtete Kinder und Erwachsene eingerichtet.
  • Familien auf der Flucht stehen vor besonderen Problemen. Das Jugendamt kümmert sich um sie mit Beratung, mit Erziehungshilfen in der Extremsituation, bei Sorgerechtsfragen und organisiert gegebenenfalls Vormundschaften sowie die Unterbringung und Versorgung, wenn Minderjährige unbegleitet nach Stuttgart flüchten. Die Schwangerenberatungsstelle unterstützt zudem junge Mütter und Schwangere aus der Ukraine, die zusätzliche Hilfe brauchen, etwa bei Anträgen an die Stiftung „Familie in Not“. Sie fördert den Kauf von Schwangerenbekleidung und Erstausstattung von Neugeborenen. Für ukrainische Kleinkinder einen Kitaplatz zu vermitteln, ist dagegen angesichts des generellen Kita-Platzmangels nur im Ausnahmefall gelungen.
  • Von anhaltendenden Herausforderungen berichtet das Schulverwaltungsamt. Geflüchtete Kinder ab sechs Jahren sind gleich nach Ankunft zum Schulbesuch berechtigt – und nach einem halben Jahr sogar verpflichtet. Für sie waren in enger Abstimmung mit dem Staatlichen Schulamt Stuttgart sowie dem Regierungspräsidium Stuttgart zusätzliche Vorbereitungsklassen (VKL) an allgemeinbildenden Schulen sowie VABO-Klassen an beruflichen Schulen einzurichten. Sie dienen der Vorqualifizierung für Arbeit und Beruf mit dem Schwerpunkt, Deutschkenntnisse zu erwerben. Für die stark ausgelasteten Schulen und ihre begrenzten Kapazitäten, neue Klassen einzurichten, bedeutete dies teilweise die Doppelnutzung von Räumen, die Anpassung der Unterrichtsorganisation oder die Bildung integrativer Klassen. Die Komplexität erhöhte der Anspruch, die Schulplatzversorgung zudem nach Möglichkeit wohnortnah, also gut erreichbar von der Unterbringung der Geflüchteten, zu organisieren. Von ursprünglich 61 VKL und VABO-Klassen hat sich so die Anzahl um 44 auf aktuell 105 erhöht: ein Anstieg um 72 Prozent. Weitere sind in Planung.
  • Leichter fiel es der Stuttgarter Musikschule, fast 40 ukrainische Kinder unkompliziert in den Unterricht aufzunehmen und in die musikalische Jugendbildung zu integrieren.
  • Beim Jobcenter Stuttgart lag das Augenmerk zu Beginn bei einer zeitnahen und umfassenden Leistungsgewährung. Dies gelang nur durch das außerordentliche Engagement der Mitarbeitenden, die diese Arbeiten zusätzlich zu den laufenden Aufgaben verrichten. Die Besonderheiten dieser Zielgruppe erfordern oft eine intensivere Betreuung. Bei der Vermittlung in Arbeit ist unter anderem die Anerkennung ausländischer Ausbildungsabschlüsse ein zentraler und langwieriger Aspekt. Zugleich gibt es für die Ukrainerinnen und Ukrainer bei der Vermittlung eine Reihe individueller Hürden zu überspringen, wie die Notwendigkeit vorbereitender Sprachkurse (aktuell bei rund 35 Prozent) und der hohe Anteil an Alleinerziehenden (39 Prozent) bei fehlender Kinderbetreuung. Was die Kundinnen und Kunden aus der Ukraine außerdem verunsichert, sind ihre ungewisse Rückkehrperspektive , die Verarbeitung von Kriegserlebnissen und die wechselhafte Lage in der Ukraine. Nicht zuletzt führt die meist provisorische Unterbringung dazu, dass die Geflüchteten häufiger umziehen müssen und damit die Mietvertragsprüfungen bei diesen Leistungsempfängerinnen und -empfängern aufwändiger sind.
  • Das städtische Angebot an Sprachkursen hat die Abteilung Integrationspolitik ausgeweitet, um einem schnellen und niederschwelligen Zugang – möglichst mit Kinderbetreuung – den Weg zu bereiten und so die Zeit bis zu den Integrationskursen zu überbrücken. Daneben organisierte sie in den Notunterkünften unterstützt von Dolmetscherinnen und Dolmetschern sogenannte „Stuttgarter Flüchtlingsdialoge“, um mit den Menschen auf Augenhöhe ins Gespräch zu kommen und ihre Eigenständigkeit zu stärken.
  • Das Amt für Sport und Bewegung unterstützt die Stuttgarter Vereine dabei, Angebote für Geflüchtete umzusetzen. Die Stuttgarter Sportvereine haben Regelangebote für sie geöffnet oder rufen neue Kurse ins Leben. Die Sportmöglichkeiten werden bei der Zielgruppe über die Internetseite  https://sports-for-refugees.de/ (Öffnet in einem neuen Tab) und Flyer beworben. Seit Kriegsbeginn in der Ukraine sind die Angebote deutlich angestiegen. So erhielten 2022 rund 900 Geflüchtete, die Möglichkeit, am Vereinssport teilzunehmen.
  • Die Landeshauptstadt war auch an mancher Stelle gefordert, die bei der Flüchtlingsthematik nicht sogleich im Blickpunkt steht. Beispielsweise kümmerte sich die Veterinärbehörde um die mitgebrachten Haustiere der Geflüchteten. Die Fachdienststelle hat mehrere hundert Hunde und Katzen geimpft und deren Besitzerinnen und Besitzer beraten. Auch sorgte sie bei Bedarf dafür, exotische Tiere, wie einige Papageien und andere Arten, die nicht mit in die neue Unterkunft einziehen konnten, tierschutzgerecht unterzubringen.
  • In der Stadtbibliothek gab es bis zum Kriegsausbruch keine ukrainischen Bücher. Bis dahin wurde der russischsprachige Bestand genutzt. Ab Februar 2022 ist sowohl im Bereich der Kinder- als auch der Erwachsenenmedien ein ukrainischer Fundus entstanden, der analog wie digital sehr gute Resonanz findet. Der Dank gilt hierfür nicht zuletzt der ukrainischen Gemeinde in Stuttgart, die sich stark  engagierte, um den Bücherbestand schnell zu bestücken. Auch Führungen auf Ukrainisch oder Russisch nutzten viele Geflüchtete, was häufig zu Neuanmeldungen bei der Stadtbibliothek führte.
  • Das Carl-Zeiss-Planetarium verzeichnet ebenfalls eine rege Teilnahme ukrainischer Gruppen. Für ein Programm über die Erforschung des Sonnensystems bietet das Planetarium eine ukrainische Übersetzung. Zudem nutzen viele Gäste offenbar auch die englischen Versionen, um den anderen Astronomie-Shows über das SimulcastÜbersetzungssystem zu folgen.

Direkte Hilfe über Partnerstädte in Polen und Tschechien

Stuttgart hat zudem seine Partnerstädte Łódź in Polen und Brünn in Tschechien bei projektbezogener Hilfe gestärkt, wie die Abteilung Außenbeziehungen der Landeshauptstadt berichtet. Beide Städte leisten durch ihre größere räumliche Nähe zum Kriegsgebiet einen außerordentlich hohen Beitrag als Zufluchtsort für Ukrainerinnen und Ukrainer: über 100.000 in Łódź und über 25.000 in Brünn. Zudem organisieren diese Kommunen Vororthilfe in ihren ukrainischen Partnerstädten Charkiw, Lviw und Odessa.

Diese internationalen Kontakte und Verbindungen zu nutzen, vor allem auf zivilgesellschaftlicher Ebene, erwies sich als effektiv für zielgerichtete und reibungslose Nothilfe. Zum Beispiel hat Stuttgart Transporte gemeinnütziger Organisationen mit dringend benötigten Hilfsgütern nach Łódź und Brünn mitfinanziert.

Darüber hinaus unterstützt Stuttgart Waisenhäuser der Partnerstadt Łódź, die geflüchtete ukrainische Kinder aufgenommen haben. Hierzu gehörten 2022 zum Beispiel Sachspenden wie Fahrzeuge sowie Wärmeboxen für Essenstransporte, aber auch kleine Lichtblicke wie die Übergabe von rund 100 Weihnachtsgeschenke für die ukrainischen Waisenkinder, die ihre Wunschzettel nach Stuttgart übermittelt hatten.

Kriegsfolgen fordern Stuttgarter Bevölkerung und städtische Einrichtungen

Von Anfang waren die Bezirksämter Anlaufstationen für die Stuttgarter Bevölkerung. Neben zunächst einer beeindruckenden Zahl von Hilfsangebote n für Wohnraum, Sachspenden oder ehrenamtliche Unterstützung, etwa bei Übersetzungen, gingen später vermehrt sorgenvolle Anfragen von Vereinen und Einzelpersonen wegen der rasant gestiegenen Energiekosten ein. Vor allem für viele ältere Menschen gestaltete es sich immer schwieriger, mit ihrem Einkommen das Leben zu meistern. Um deren Notlage zu mildern, prüften die Bezirksämter verschiedene Optionen, schnell zu helfen. Eine Finanzspritze aus dem Bezirksbudget erhielten zum Beispiel in Stuttgart-Süd zwei Initiativen, die ein kostenloses Mittagessen und einen warmen Raum anbieten, wo man zudem mit anderen Mitbürgerinnen und Mitbürgern ins Gespräch kommen kann.

Aufgrund der im Winter drohenden Gasmangellage war natürlich auch die Stadt bei ihren Gebäuden gefordert, wo immer möglich, den  Energieverbrauch zu senken, die Beleuchtung zurückzufahren und Heizkosten einzudämmen. Sehr beschäftigt hat dabei das Stadtarchiv die Frage, welche Folgen ein Stromausfall für die schonende Lagerung ihrer Archivalien hätte und wie auf einen Blackout am besten zu reagieren wäre, um die Akten, Amtsbücher, Fotos und Kartenmaterial, aber auch Filme, Gemälde und Graphiken vor Schäden zu schützen.

Auch das Amt für Sport und Bewegung war von der Gasmangellage betroffen. Es ist ihm aber durch bereits auf den Weg gebrachte energetische Optimierungen gelungen, den Sportbetrieb aufrecht zu erhalten. Zudem erreichen das Sportamt immer wieder Anfragen der Vereine, ob einige der Sporthallen vorläufig zur Unterbringung von Geflüchteten umgenutzt werden müssen – was erfreulicherweise bislang nicht notwendig wurde.

Um die drohenden Energiemangellage zu bewältigen, waren stadtweit zahlreiche präventive Maßnahmen zu planen und umzusetzen. Hierfür entstand Ende 2022 eine Task Force der Landeshauptstadt. So unterstützen zum Beispiel zusätzliche Mitarbeitende aus der Branddirektion den Bereich Bevölkerungs- und Katastrophenschutz etwa beim Erstellen von Einsatzplänen und Durchführen von Hilfsangeboten. Aus dieser Task Force resultiert auch das Sofortprogramm der Landeshauptstadt Stuttgart mit vier Millionen Euro für Maßnahmen des Katastrophenschutzes für die Bevölkerung, darunter das Ausstatten von Notfalltreffpunkten mit mobilen Beleuchtungs-, Notstrom- und Heizsystemen.

Zu Fragen der persönlichen Krisenvorsorge beriet die Branddirektion zudem zahlreiche Bürgerinnen und Bürgern und stellte umfangreiches Infomaterialien bereit. Auf der Internetseite der Stadt sind diese zusammengefasst unter:  www.stuttgart.de/krisenvorsorge.

Auch wenn der Großteil des Winters überstanden ist, werden die Konsequenzen von Krieg und Sanktionen längerfristig die Projekte der Stadt beeinflussen. Das Technische Referat, dem unter anderem die Hoch- und Tiefbauämter zugeordnet sind, ist vor allem durch den Anstieg der Baukosten betroffen. Die durch den Ukraine-Krieg ausgelösten Preissteigerungen im Energiesektor haben gravierend auf die Bauprodukte durchgeschlagen. Insbesondere Stahl, Bitumen und Flachglas waren von dieser Entwicklung überdurchschnittlich stark betroffen, weil sich die Produktionskosten hier massiv erhöht haben. Die in Folge des Krieges gestörten Lieferketten verstärkten zusätzlich diesen Effekt, da die Erzeuger  zwischenzeitlich Kapazitäten und Produktionen abgebaut hatten. Im Ergebnis lag 2022 die Teuerung im Bausektor mit rund 14,5 Prozent deutlich über der Inflationsrate (Verbraucherpreisindex: zirka 8,5 Prozent) des Statistischen Bundesamtes.

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Bildnachweise

  • Thomas Niedermüller/Stadt Stuttgart