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Landeshauptstadt Stuttgart

Gesundheitsamt

Zur Behandlung in den Bunker

Nur wenigen ist bekannt, welches Zeitzeugnis sich unter dem Gesundheitsamt, der ehemaligen Stuttgarter Frauenklinik, verbirgt. Hier befindet sich einer der wenigen Krankenhausbunker aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs, der noch erhalten geblieben ist und zugänglich gemacht wurde.

Der Krankenhausbunker unter dem heutigen Gesundheitsamt, der früheren Frauenklinik, ist mit OP- und Behandlungsräumen ausgestattet.

Dieser Bunker wurde, wie viele andere Bunker, im Rahmen des sogenannten „Führersofort­erlasses“ gebaut. Der Anteil von Krankenhausbunkern in Deutschland am gesamten Bunkerbauprogramm beträgt maximal fünf Prozent. Es ist deshalb bemerkenswert, dass dieses Bauwerk in seinem ursprünglichen Zustand weitestgehend erhalten geblieben ist.

Dem Leiter des Gesundheitsamts, Professor Stefan Ehehalt, und dem ehemaligen Verwaltungsleiter Stefan Lindheimer ist es zu verdanken, dass dieses Bauwerk aus seinem Dornröschenschlaf geholt wurde.

Sie traten in Kontakt mit dem Verein Schutzbauten Stuttgart, der dieses Bauwerk mit neuem Leben erfüllte. Dieser Bunker unterscheidet sich bautechnisch erheblich von den sonst bekannten Bunker-Bauwerken. Er wurde 1940/41 innerhalb weniger Monate unter dem Garten der damaligen Frauenklinik erstellt und an das ehemalige Klinikum angebunden. In der Frauenklinik waren bereits 1934 Luftschutzräume in den Keller integriert worden, die aber keine Operationsräume beinhalteten. Dort war Platz für 120 Personen vorgesehen. Mit dem Neubau des Bunkers nach Kriegsbeginn wurden Räume für Operationen und Behandlungen sowie Platz für 28 Intensiv­patienten geschaffen.

Geschichte wird spürbar

Auch ein Zahnarztstuhl gehört zu den Exponaten.

Alexandra Sußmann, Bürgermeisterin für Soziales und gesellschaftliche Integration, sagt: „Beim Besuch des Krankenhausbunkers wird spürbar und erlebbar, was der Zweite Weltkrieg für die in der da­maligen Frauenklinik behandelten Patientinnen und dem dort tätigen Personal bedeutet haben mag. Dieses Zeitzeugnis zugänglich zu machen, verstehen wir als unseren Auftrag. Ich danke dem Verein Schutzbauten mit Herrn Zielfleisch für diesen großen und wichtigen Beitrag.“ Um die leeren Räumlichkeiten des Krankenhausbunkers authentischer zu machen, hat der Verein die Räume mit entsprechenden Exponaten aus seiner jahrelangen Sammlungstätigkeit ausgestattet.

Viele neue Exponate kamen durch glückliche Umstände hinzu. Passend zur Frauenklinik ein zeittypischer gynäkologischer Stuhl, ein OP-Tisch mit entsprechender Lampe, ein Röntgengerät, ein EKG-Gerät aus dem Jahr 1942. Viele krankenhaustypische Gerätschaften runden das Bild ab.

Einrichtung ergänzt

Der OP-Raum ist mit fluoreszierender Farbe komplett gestrichen, die auch heute noch nachleuchtet. Damals hätte die Strahlkraft für mindestens eine Stunde ausgereicht, um bei Stromausfall eine begon­nene Operation zu Ende bringen zu können.

Die komplette Technik für das Betreiben des Bunkers wurde nach dem Krieg wiederverwertet und entfernt. Aber auch hier hat der Verein aus seinem Fundus mit Lüfter und Filter das Bauwerk vervollständigen können. Fehlende Steckdosen, Waschbecken, Toilettenschüsseln wurden aus anderen Bauwerken der Stadt ergänzt. Was noch fehlt, ist die alte Koks­heizungsanlage und das Notstromaggregat.

Auf die Zwangsabtreibungen verweist ein zeittypischer gynäkologischer Stuhl.

Dieser Bunker und seine Ausstellung spiegeln das Leben in einem Krankenhausbunker während des Zweiten Weltkrieges wider. In diesen Räumen konnte operiert werden, sie dienten aber auch zum Luftschutz für bettlägerige Patienten und das dazuge­hörende Personal der dama­ligen städ­tischen Frauenklinik. In den Räumen wird ein Krankenhaus-Betrieb exemplarisch mit zeittypischen Exponaten nachgestellt. Das Gebäude steht seit 1987 unter Denkmalschutz.

Es ist gelungen, ein geschichtliches Kleinod mit Leben zu erfüllen, in dem man einen Aspekt der NS-Gesundheitspolitik erfahren kann. In der Frauenklinik wurden unter anderem die ersten Zwangsabtreibungen und Zwangssterilisationen vorgenommen, aber auch die dramatisch ansteigenden Gebärmuttervorfälle operiert, her­vorgerufen durch die schwere ­Arbeit der Frauen in der Industrie oder die Mitarbeit beim Stollenbau während der Kriegszeit.

Der Verein Schutzbauten Stuttgart bietet für Gruppen entsprechende Führungen an, um diese in die NS-Gesundheitspolitik an einem authentischen Ort einzuführen. Es gibt nur ganz wenige Örtlichkeiten in Deutschland, wo diese Bauwerke noch gezeigt werden können. Stuttgart hat solch einen Ort in der Schloßstraße. 

Weitere Informationen ­unter  www.schutzbauten-stuttgart.de (Öffnet in einem neuen Tab). Dort kann man auch Führungen durch den Krankenhausbunker buchen.

Erläuterungen und Hinweise

Bildnachweise

  • Verein Schutzbauten Stuttgart
  • Verein Schutzbauten Stuttgart
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