Impressionen von der Sommertour
Oberbürgermeister Frank Nopper war überrascht, als ihm Anwohner im Stammheimer Neubaugebiet Langenäcker-Wiesert demonstrierten, dass bestimmte Elektrofahrzeuge beim Laden einen hochfrequenten Ton ausstoßen, der nach ihrer Messung die Grenzwerte im Wohngebiet überschreitet. Es fehle aber eine rechtliche Handhabe für diejenigen, die neben einer Ladesäule wohnten und sich durch das hochfrequente Fiepsen gestört fühlten. Die Anwohner berichteten dem Oberbürgermeister, ihr Garten sei stundenlang nicht begehbar und der Lärm dringe bei geöffneten Fenstern durchs ganze Haus, wenn eines der drei betroffenen Auto-Modelle (Renault Zoe, Renault Twingo, Smart) am Straßenrand geladen werde. Ob die Stadt irgendwie helfen könne?
„Hoffnung auf den Zauberstab des OB“
Bei seinen Besuchen in den 23 Stadtbezirken wurden unterschiedlichste Themen an den Oberbürgermeister herangetragen. Überall die „Hoffnung auf den Zauberstab des OB“: Zaubern könne er nicht, so Nopper, aber alle Anliegen würden sorgfältig protokolliert und im Nachgang von der Verwaltung bearbeitet.
Um manches zu verstehen, war auch körperlicher Einsatz nötig. Von Wangen über den Berg nach Hedelfingen wanderte der OB in Begleitung der zwei Bezirksvorsteher und einer rund 30-köpfigen Gruppe. Zwei Wengerter erklärten, weshalb es aus ihrer Sicht nicht sinnvoll sei, verwilderte Gärten und Weinberge durch eine Straße zu erschließen, die kaum in den Hang hinein zu bauen sei. Auch anderswo nahm Nopper Anliegen entgegen, die den Erhalt der Kulturlandschaft betreffen. Mühlhausens Bezirksvorsteher Ralf Bohlmann versicherte, er werde nicht in Rente gehen, bevor die Verwaltung nicht eine Strategie entwickelt habe, wie mit Nilgänsen umgegangen werde, am Max-Eyth-See und andernorts.
Verwaltung setzt auf Ortskenntnis der Bezirksbreiräte
Vor den öffentlichen Rundgängen führte der OB auch in diesem Jahr Gespräche mit den Bezirksvorstehern und den Bezirksbeiräten. „Vor Ort weiß man am besten, was es braucht. Verwaltung und Oberbürgermeister sind auf die Ortskenntnis der Bezirksbeiräte angewiesen“, sagte der OB. Er riet den Bezirksbeiräten, möglichst geschlossen zu agieren. Gemeinderat und Verwaltung würden sich nur in den seltensten Fällen über einstimmige Beschlüsse hinwegsetzen. Sillenbuch machte vor, wie es gehen kann: Dort überreichten die Bezirksbeiräte dem OB eine interfraktionelle „Wunschliste“ für den Doppelhaushalt 2024/25.
Unterschiedliche Schwerpunkte bei den Rundgängen
Die Akteure in den Stadtbezirken setzten bei den Rundgängen ganz unterschiedliche Schwerpunkte. In den Außenstadtbezirken stand oft der Wohnungsbau im Vordergrund. Viele Vorhaben sollen zur Internationalen Bauausstellung 2027 (IBA’27) realisiert werden: So machte sich Nopper ein Bild von den Quartieren „Am Rotweg“ und „Böckinger Straße“ in Zuffenhausen, dem IBA‘27-Projekt „Wohnen am Fluss in Untertürkheim“ und dem ersten Bauabschnitt in der Moselstraße in Münster. Im „Neckar- Park“ in Bad Cannstatt oder im Neubaugebiet Langenäcker-Wiesert in Stammheim wird bereits mit großer Geschwindigkeit gebaut. Andernorts wurde der Wohnungsbau kontrovers diskutiert, etwa bei geplanten Nachverdichtungsprojekten im Möhringer Stadtteil Fasanenhof. Der OB will hier einen fairen Ausgleich zwischen den im Fasanenhof lebenden Menschen und denjenigen finden, die dringend eine Wohnung suchen. Er betonte, dass die Stadt dem Wohnungsmangel begegnen müsse.
In vielen Bezirken ging es um die Sanierung und Erweiterung von Kitas und Schulen. Bei der anstehenden Sanierung des Wilhelms- Gymnasiums in Degerloch, die 2024 beginnen soll, müssen zunächst Interims- und Erweiterungsbauten errichtet werden, um die Schüler während der Sanierung unterzubringen. Die Sanierung soll im Jahr 2032 abgeschlossen sein. In der Kommunalpolitik brauche man oftmals einen langen Atem, sagte Nopper.
In den Innenstadtbezirken wurden durchweg fehlende Sport- und Aufenthaltsflächen für Jugendliche thematisiert. Nopper möchte prüfen lassen, außerhalb der Schulzeiten Schulsportanlagen für Jugendliche zu öffnen – insbesondere in den Ferien. Sein Resümee der Sommertour: „Wir haben wichtige und wertvolle Erkenntnisse vor Ort und aus erster Hand gewonnen. Spätestens in zwei Jahren wollen wir das wiederholen.“
Stuttgarterin nimmt an allen 23 Rundgängen teil
Abgesehen vom OB nahm eine Stuttgarterin an allen öffentlichen Rundgängen durch die 23 Bezirke teil: Erna Huemer (76) aus Stuttgart-Ost. Sie lebt seit 50 Jahren in der Stadt. „Aber ich habe wirklich viel aufstocken können.“ Ihre Höhepunkte waren die Aussicht im 13. Stockwerk des Allianz- Gebäudes und eine kurze Strecke, die sie – „welche Ehre!“ – auf der Rückbank im Dienstwagen des Oberbürgermeisters zurücklegen durfte.