Bisher leistet Stuttgart Nothilfe über ihre Partnerstädte Łódź in Polen und Brünn in Tschechien. Für das künftige Engagement setzt Stuttgart auf ein neuartiges Viererbündnis, das es in dieser Form in Deutschland noch nicht gibt. Ein kommunaler Schulterschluss mit seiner Partnerstadt Straßburg sowie Dresden, das ebenfalls mit der elsässischen Stadt verschwistert ist, bündelt dabei die Kräfte, um in Chmelnyzkyj die Kriegsfolgen durch den russischen Angriff zu lindern und die Menschen bei der Weiterentwicklung ihrer Stadt und auf dem „Weg nach Europa“ zu begleiten.
Oberbürgermeister Dr. Frank Nopper„Anlässlich des Jahrestags des Kriegsbeginns wollen wir mit der Begründung der trinationalen Vierer-Solidaritäts-Städtepartnerschaft ein klares Zeichen für unsere ungebrochene Solidarität setzen. Alle vier Städte teilen unsere freiheitlichen europäischen Werte und sind damit eine Quadriga für Frieden und Freiheit. Auf dem Fundament der Zusammenarbeit der Städte wollen wir in eine gemeinsame Zukunft der Völker Europas gehen.“
Die Verwaltung bereitet nun eine entsprechende Vereinbarung der vier Weggefährten vor, welche deren Stadtoberhäupter gemeinsam unterzeichnen. Bei der Ratssitzung war eine Delegation aus Chmelnyzkyj um Bürgermeister Mykola Vavryshchuk zugegen und Oberbürgermeister Dr. Oleksandr Symchyshin mit einer Videobotschaft zugeschaltet.
Chmelnyzkyj ist Trägerin den Europapreises 2021
Chmelnyzkyj passt als Landeshauptstadt des gleichnamigen Oblasts sowie als wirtschaftliches, wissenschaftliches und kulturelles Zentrum der Region zu den neuen Partnern Stuttgart, Straßburg und Dresden. Zudem zeichnet die westukrainische Metropole mit ihren rund 300.000 Bürgerinnen und Bürgern eine starke europäische und internationale Ausrichtung aus. Hierfür gewann Chmelnyzkyj 2021 den Europapreis des Europarats. Ebenso soll die Solidaritätspartnerschaft an die vor Kriegsbeginn dynamische Wirtschaftsförderung und nachhaltige Stadtentwicklung anknüpfen. Zunächst stehen jedoch akute Notlagen im Mittelpunkt.
Die Westukraine ist weiter von den besonders umkämpften Gebieten im Osten und Süden der Ukraine entfernt. Deshalb suchen viele Binnenflüchtlinge hier Schutz. Seit Kriegsbeginn waren es allein in Chmelnyzkyj bereits 230.000 Geflüchtete, aktuell beherbergt die Stadt rund 25.000 Menschen zusätzlich zu ihrer Stammbevölkerung. Doch selbst hier sind durch russische Raketenangriffe immer wieder Tote, Verletzte und Zerstörungen zu beklagen. Speziell die Energieversorgung wird gezielt attackiert, was regelmäßig zu Strom- und Heizungsausfällen führt.
Als Schwerpunkte der mittelfristigen Kooperation hat Oberbürgermeister Dr. Symchyshin die Bereiche Energie, Medizin, Bildung und Forschung sowie Kultur im Blick. Durch die breitere Basis eines Viererbündnisses kann die Unterstützung vielseitiger und zugleich punktgenauer erfolgen.
Langfristige freundschaftliche Beziehung angestrebt
Für Stuttgart ist es ein wichtiges Anliegen, seine Solidarität für die Ukraine über die bisher indirekten Verbindungen hinaus auszubauen und eine langfristig ausgerichtete freundschaftliche Beziehung mit einer ukrainischen Stadt aufzubauen. Beratung erhält die Landeshauptstadt dabei von der „Servicestelle Kommunen in der Einen Welt (SKEW)“. Die zentrale Anlaufstelle für kommunale Entwicklungspolitik fördert den Fachaustausch und finanziert sich über das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) sowie Zuschüsse der Länder Baden-Württemberg, Bremen, Hamburg, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz.
Bei der Anbahnung sogenannter „Solidaritätspartnerschaften“ mit ukrainischen Kommunen war die SKEW schon mehreren deutschen Städte behilflich. Genutzt haben diese Möglichkeit zum Beispiel Hannover, das nun die Stadt Mykolajiw am Schwarzen Meer fördert, und Dortmund, das solch ein Bündnis mit Shytomyr bei Kiew eingeht, – allerdings jeweils bilateral.