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Landeshauptstadt Stuttgart

Unterbringung von Geflüchteten

„Eine kommunale Pflichtaufgabe“

Bürgermeister Thomas Fuhrmann nimmt im Interview Stellung zur Unterbringung von Geflüchteten in Stuttgart

In den vergangenen Wochen sind Hunderte Flüchtlinge nach Stuttgart gekommen. Aktuell bringt die Stadt über 7400 Geflüchtete in Notunterkünften beziehungsweise regulären Unterkünften unter. Davon sind zirka 3300 Geflüchtete aus der Ukraine.

Bürgermeister Thomas Fuhrman

Es werden Prognosen zufolge mehr Menschen sich aus Krisenregionen der Welt nach Deutschland flüchten. Das fordert gerade Großstädte wie Stuttgart heraus. Ein Interview aus aktuellem Anlass mit dem Bürgermeister für Wirtschaft, Finanzen und Beteiligungen, Thomas Fuhrmann.

Herr Fuhrmann, Ihr Referat ist zuständig für die Akquise und Anmietung von Plätzen zur kurz- und mittelfristigen Unterbringung für Flüchtlinge. Was bedeutet diese Aufgabe für Sie?

Für mich persönlich zunächst, dass diejenigen, die vor Krieg und Gewalt fliehen und in unserer Stadt Zuflucht suchen, hier auch ein Obdach finden. Der Schutz vor Obdachlosigkeit ist eine humanitäre Verpflichtung. Stuttgart ist eine wirtschaftlich starke Stadt. Wer sich vor Kriegen, Vertreibungen und Verfolgungen zu uns flüchtet, dem helfen wir selbstverständlich. Gerade zu Beginn, als die ersten ukrainischen Flüchtlinge mit den Zügen in Stuttgart erschöpft ankamen, haben wir kurzfristig Plätze in Hotels oder Herbergen finden müssen, weil die Dimension und Dynamik der Entwicklung nicht absehbar war. Die Basis unseres Handelns, für das wir erhebliche Ressourcen aufwenden, gründet sich jedoch nicht auf Emotionalität, sondern auf der rechtlichen Verpflichtung der Kommune in dieser Frage. Die Unterbringung von Geflüchteten ist eine kommunale Pflichtaufgabe und unsere ­gesetzliche Verantwortung ist es, dieser gerecht zu werden.

Rund 10 000 Geflüchtete halten sich derzeit in Stuttgart auf. Gut 7000 davon in städtischen Unterkünften. Wie werden Geflüchtete aktuell untergebracht? Und wie geht es weiter?

Die Stadt nutzt für die Notunterbringung aktuell acht Hotels, drei Hallen, vier Boarding Häuser und über 100 Wohnungen. Dazu werden bis Ende Oktober 440 neue Plätze auf dem Cannstatter Wasen in Wohncontainern kommen, auf der Waldau weitere 160. Außerdem wollen wir zwei ehemalige Hotels und ein Boarding Haus mit 1200 Plätzen anmieten.

Worauf achtet die Stadt bei der Unterbringung

Die Plätze müssen gefunden oder geschaffen werden. Wir greifen auf Angebote aus den Bezirken oder von Privateigentümern zurück – und schauen auch, dass wir vorhandene Möglichkeiten nutzen, genauer gesagt umnutzen. Wie etwa die Nebenhallen der Schleyerhalle oder die Wohncontainer, die eigentlich nur für das Landwirtschaftliche Hauptfest genutzt werden sollten. Und natürlich muss auch die Versorgung und Betreuung gewährleistet sein. Gemeinschaftsunterkünfte sind da von Vorteil, Massenunterkünfte wollen wir vermeiden.

Wie Turnhallen?

Genau. Bislang ist die Unterbringung von Geflüchteten weitgehend ohne Einschnitte in den Alltag der Stuttgarterinnen und Stuttgarter gelungen. Eine Turnhallenbelegung mit Flüchtlingen tritt nahezu immer in Konkurrenz mit dem eigentlichen Nutzungszweck der Halle. Konkret heißt dies, dass vielfach gewohnte Trainingszeiten oder Trainingsorte sich für die Nutzer ändern, Sportstunden verlegt und im schlimmsten Fall auch ausfallen müssen. Das versuchen wir so gut es geht zu vermeiden. Bislang belegen wir nur eine Halle in Münster. Hier gab es eine tolle Initiative aus dem Bezirk heraus, die letztlich in dem Angebot an die Stadt zur Belegung mündete.

Medien berichten, dass Bewohnern in einem Gebäude mit möblierten Apartments gekündigt werden soll, damit Platz für Flüchtlinge geschaffen wird. Was ist da dran?

Der Eigentümer hat uns unter anderem ein Boarding Haus angeboten. Rechtlich gesehen, dürfen dort Menschen beherbergt werden, sprich: dort zeitlich befristet wohnen. Eine Mietnutzung ist ausgeschlossen, wenn sich die Gebäude in Gewerbegebieten befinden. Zulässig ist aber bis Ende 2027 eine Unterbringung von Geflüchteten. Mit dem Eigentümer sind wir in engem Austausch, und es zeichnet sich eine Vereinbarung ab, die für alle Seiten tragbar ist. Vor allem werden wir nur Plätze nutzen, die rechtlich erlaubt und persönlich nicht belegt sind. Über die Anmietung der Plätze wird mit Blick auf die Kosten im Gemeinderat entschieden.

Zum Abschluss noch ein Blick auf andere akute Krisen. Die Stadt trägt Verantwortung insbesondere für die Menschen, die bereits hier wohnen und mit ihren Steuern einen wichtigen Beitrag zum Gemeinwohl tragen. Was sagen Sie hierzu?

Die Energiekrise und die Inflation treiben uns sehr um. Es handelt sich um gesamtgesellschaftliche Herausforderungen. Es ist gut, dass der Bund deutschlandweite Lösungen erarbeitet: Die Heizkosten für Bedürftige zu mindern oder zu übernehmen ist da eine Möglichkeit. Hier können wir als Kommune keinen Alleingang stemmen. Vor Ort haben wir die Situation der Stuttgarter Sportvereine, der Kulturbetriebe und gerade auch der Sozialträger im Blick. 

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  • Abteilung Integrationspolitik. Foto: Martin Lorenz.