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Landeshauptstadt Stuttgart

Klimawandel

Über die Bedeutung von Braunkohlestrom für die Klimaneutralität

Stuttgart will bis 2035 klimaneutral werden. Die Stadt prüft derzeit, ob sich die Zielvorgabe des Gemeinderats erreichen lässt. Der Fahrplan soll konkrete Vorschläge für Emissionsquellen enthalten. Welche Auswirkungen haben die Termine zum Kohleausstieg auf das Vorhaben des Gemeinderats?

Sieben deutsche Braunkohlekraftwerke gehören zu den zehn größten CO2-Emittenten Europas.

Der Stuttgarter Gemeinderat hat im Januar 2022 mit großer Mehrheit beschlossen, alle Maßnahmen zu prüfen, mit denen Klimaneutralität im Jahr 2035 erreicht werden kann. Auch die nationale Bedeutung von Braunkohlestrom und der damit verbundene deutsche Strommix spielen hierbei eine beachtliche Rolle.

Die Beschlussvorlage des Gemeinderats weist daraufhin, dass das Erreichen der Klimaneutralität auch von Vorgaben der Europäischen Union, des Bundes und der Länder abhängt. Das Klimaziel 2035 soll daher mit den derzeit diskutierten Ausstiegsterminen aus der Kohlekraft synchronisiert werden. "Insbesondere die Entwicklung des europäischen Stromverbundnetzes und die Zusammensetzung des deutschen Strommixes sind von herausgehobener Bedeutung für die Reduktion der Treibhausgasemissionen in Stuttgart", heißt es in der Beschlussvorlage.

Wie in Deutschland die aktuelle Situation beim Braunkohlestrom aussieht, erklären die folgenden Informationen vor dem Hintergrund des Beschlussvorschlags.

Emissionen von Kohlekraftwerken sind enorm

„Bei acht von zehn der größten Kohlendioxid-Emittenten handelt es sich um Braunkohlekraftwerke. Sieben davon stehen in der Bundesrepublik“, schreibt das Wirtschaftsmagazin Capital. Im Artikel  Kohleausstieg: Das sind die größten CO2-Emittenten Europas (Öffnet in einem neuen Tab) beschreibt das Magazin auf Basis von Zahlen der Brüsseler Organisation Transport & Environment auch die beiden größten deutschen Kraftwerke:

  • Das Braunkohlekraftwerks Niederaußem (NRW) belegt im europaweiten Ranking der größten CO2-Emittenten Platz 3: „Bis Ende 2038 darf RWE noch in einem Block seines Braunkohlekraftwerks Niederaußem Strom erzeugen. Dann ist Schluss in dem Kraftwerk, das 2018 insgesamt 25,9 Millionen Tonnen CO2 ausstieß.“
  • Das Braunkohlekraftwerk Neurath (NRW) belegt nach dem weltweit größten Braunkohlekraftwerk (Polen) den zweiten Platz: „Mit einem Ausstoß von 32,1 Millionen Tonnen CO2 ist das Braunkohlekraftwerk Neurath der größte CO2-Emittent in Deutschland. Auch hier darf RWE zwei Blöcke, die im Jahr 2012 in Betrieb genommen wurden, bis Ende 2038 betreiben.“

Bis zum Kohleausstieg 2038 verbraucht Deutschland fast die Hälfte des deutschen CO2-Budgets

Energy Brainpool, ein etabliertes deutsches Analyse-Unternehmen für die Energiewirtschaft mit besonderer Kompetenz im Stromhandels-, Beschaffungs- und Risikomanagement, hat im Auftrag von Greenpeace Energy die zukünftigen Emissionen der Kohlekraftwerke prognostiziert. Die Grundlage bilden der aktuelle Kohleausstiegsfahrplan, der geplante Ausbau erneuerbarer Energien und Annahmen für die Preisentwicklung von Emissions-zertifikaten. Die Szenarien berücksichtigen den Ausbau erneuerbarer Energien gemäß den nationalen Plänen und Klimaschutzzielen aus dem Erneuerbare-Energien-Gesetz 2021. Ebenso sind die Kohleausstiegspläne von derzeit zehn europäischen Staaten abgebildet.

In dem Szenario, das einen bis 2038 auf 105,34 EUR/t CO2 ansteigenden Preis für Emissionszertifikate berücksichtigt, werden die deutschen Braun- und Steinkohlekraftwerke 1.725 Megatonnen CO2 von 2022 bis 2038 ausstoßen, so das Ergebnis der stundenscharfen europäischen  Strommarktmodellierung von Energy Brainpool (Öffnet in einem neuen Tab), wobei „der überwiegende Anteil auf die Emissionen aus der Verbrennung von Braunkohle“ zurückgehe. Die anderen beiden Szenarien zeigen noch klimaschädlichere Ergebnisse.

Energy Brainpool erläutert: „Der jüngste Bericht des Weltklimarats IPCC benennt ein weltweites CO2-Budget von 400 Gigatonnen ab 2020, um mit einer Wahrscheinlichkeit von 67 Prozent eine globale Erwärmung von 1,5 Grad Celsius zu verhindern. […] Der deutsche Anteil des CO2-Budgets beträgt gemessen an der Bevölkerung 4.400 Megatonnen CO2.“ Mit dem bisherigem Kohleausstiegsplan dürfte der Ausstoß deutscher Kohlekraftwerke 39 Prozent des Emissions-Budgets verbrauchen, das Deutschland noch zustünde.

Ausstieg aus Braunkohle bedeutend für deutschen Strommix

Die Berechnungen von Energy Brainpool (Stand: August 2021) zeigen beispielhaft, wie relevant die nationalen Entscheidungen zum Kohleausstieg für die deutschen CO2-Emissionen sind. Über den deutschen Strommix partizipieren wiederum alle Bürgerinnen und Bürger, Unternehmen und Kommunen an diesen Emissionen, sofern sie nicht ausschließlich zertifizierten Strom aus erneuerbaren Energien beziehen.

Insbesondere gilt es zu bedenken, dass auf dem Pfad zur Klimaneutralität viele Bereiche des täglichen Lebens elektrifiziert werden – beispielsweise die Mobilität (Bus- und Autoverkehr) oder auch weite Bereiche der Wärmeerzeugung in Deutschland (Wärmepumpe, Power2Heat).

Darum haben der deutsche Ausstiegstermin aus der Kohlekraft und die Entwicklung des deutschen Strommixes auch für die kommunale Strategie der Landeshauptstadt Stuttgart eine herausgehobene Bedeutung.

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