Herr Nopper, nach Ihrem Amtsantritt im Februar 2021 haben Sie gleich drei Wochen später in der Vesperkirche vorbeigeschaut. Sie waren dort seitdem jedes Jahr, nun bereits zum vierten Mal. Warum ist die Vesperkirche für Sie ein so wichtiger Termin?
Frank Nopper: Die Vesperkirche ist seit 1995 eine Stuttgarter Institution für bedürftige Menschen in unserer Stadt. Dies zu unterstützen, ist mir ein Anliegen. Die Vesperkirche bietet ja viel mehr als nur ein sehr kostengünstiges Essen. Sie bietet Gemeinschaft und Gespräche, sie bietet Kultur. Und das ist etwas, was vielen armen Menschen fehlt. Außerdem engagieren sich dort sehr viele Stuttgarterinnen und Stuttgarter. Ich besuche die Vesperkirche auch, um diesen Ehrenamtlichen zu danken. Und nicht zuletzt will ich mit meinem Besuch einen großen Dank an die Evangelische Kirche in Stuttgart ausdrücken, die die Vesperkirche trägt.
Auch am vergangenen Heiligabend haben Sie mittags Getränke und Essen ausgeteilt bei „Dimi hilft“ in Stuttgart-Weilimdorf. Später begleiteten Sie Ihre Frau zu einer Weihnachtsfeier, die sie mit ihrem Verein „Stille Not“ für Bedürftige in der Kelter Wangen veranstaltete. Sie hätten den Tag auch anders verbringen können …
Frank Nopper: Ja, aber ich wollte den Tag gar nicht anders verbringen. Als Oberbürgermeister ist es mir wichtig, nah bei den Menschen zu sein. Heiligabend ist ein Fest der Nächstenliebe. An den zwei Weihnachtsfeiertagen hatte ich im Übrigen noch viel Zeit für Familie und Freunde.
Ist dieses gemeinsame Engagement auch etwas, das Sie mit Ihrer Frau verbindet?
Frank Nopper: Ja, das ist so. Meine Frau hat meine Arbeit als Oberbürgermeister von Anfang an gerne ergänzt. In Backnang mit dem von ihr gegründeten „Verein für Kinder in Backnang“, der Bildungsangebote für Kinder macht, sowie in Stuttgart durch die Unterstützung von bedürftigen und/oder einsamen Seniorinnen und Senioren mit dem von ihr gegründeten Verein „Stille Not“.
Wenn Sie durch Stuttgart laufen, dann stets mit einem offenen Blick für die Menschen. Es scheint, als ob Sie alle Trottwar-Verkäufer persönlich kennen!
Frank Nopper: Alle sicher nicht, aber viele. Ich bin in der Innenstadt oft zu Fuß unterwegs. Und wenn ich Menschen treffe, die ich kenne, dann wechsele ich mit ihnen gerne ein paar Worte – egal, welchen sozialen Hintergrund sie haben. Auf diesem Wege erfahre ich oft sehr viel Neues für meine Arbeit.
Welchen Einfluss hat der Austausch mit Armen und Bedürftigen auf Ihre Arbeit?
Frank Nopper: Bei unserer Arbeit für die Stadt müssen wir die Perspektive aller miteinbeziehen – gerade auch die der Bedürftigen. Sie haben meist eine schwächere Lobby als diejenigen, die sich gut präsentieren können und es gewohnt sind, ihre Interessen durchzusetzen.
Stuttgart ist eine reiche Stadt. Beim durchschnittlichen Jahresgehalt steht von allen deutschen Großstädten nur München weiter vorn. Wie kann es uns gelingen, dass unsere Stadt nicht weiter auseinanderfällt?
Frank Nopper: Wir müssen alles daransetzen, dass es gerecht und fair zugeht. Dazu gehört gerade auch, dass wir den Menschen helfen, die unverschuldet in eine Notlage gekommen sind, obwohl sie ein Leben lang hart gearbeitet haben. Manche sind auch unverschuldet arm, etwa weil sie alleinerziehend waren oder sind. Deswegen brauchen wir einen starken Geist der Gemeinschaft und des Zusammenhalts in unserer Stadt.
Das Interview führte Susanne Kaufmann.