Inhalt anspringen

Landeshauptstadt Stuttgart

Erinnerung

Platz im Stuttgarter Westen nach dem Auschwitz-Überlebenden Shmuel Dancyger benannt

Ein Platz im Westen der Stadt trägt jetzt den Namen von Shmuel Dancyger. Der Auschwitz-Überlebende wurde im März 1946 in Stuttgart erschossen – nun erinnert die Stadt mit der Benennung des „Shmuel-Dancyger-Platzes“ an sein Schicksal.

Der damals 36-jährige Shmuel Dancyger kam in Folge einer antisemitisch motivierten, gewaltsamen Razzia in einer Unterkunft für sogenannte „Displaced Persons“ im Stuttgarter-Westen zu Tode.

Am Mittwoch, 17. September, weihten Erster Bürgermeister Dr. Fabian Mayer, Landtagspräsidentin Muhterem Aras und Michael Kashi von der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württembergs den Platz feierlich ein. Zugegen waren auch die Historikerin Josefine Geib, Howard Dancyger, der Enkel von Shmuel Dancyger, sowie die Künstlerinnen Ann-Kathrin Müller und Judith Engel, Initiatorinnen der vom Kulturamt geförderten Summer School „Stuttgart, Reinsburgerstrasse“.

Der Erste Bürgermeister Dr. Fabian Mayer sagte: „Am heutigen Tag bekommt dieser Ort, der für ein beklemmendes Kapitel jüdischer Geschichte in Stuttgart steht, neue Sichtbarkeit. Das Schicksal Shmuel Dancygers zeigt anschaulich, wie wichtig es ist, vergangenes Unrecht aufzuarbeiten und jüdisches Leben im Hier und Jetzt zu schützen.“

Am heutigen Tag bekommt dieser Ort, der für ein beklemmendes Kapitel jüdischer Geschichte in Stuttgart steht, neue Sichtbarkeit.

Erster Bürgermeister Dr. Fabian Mayer

Vom „Hidden Place“ zum Shmuel Dancyger Platz

Im September 2024 fand im Programm „Hidden Places“ – ein Programm der Koordinierungsstelle Erinnerungskultur und des Fachbereichs Kunst im öffentlichen Raum des Kulturamts Stuttgart – die Summer School „Stuttgart, Reinsburgerstrasse“ statt. Teil des Kunstprojekts mit den Künstlerinnen Ann-Kathrin Müller und Judith Engel war eine temporäre Platzbenennung nach Shmuel Dancyger. Die Summer School wird in diesem Jahr fortgesetzt und findet rund um die Platzeinweihung statt. Anmeldungen zur Summer School waren bis 10. September möglich.

Ebenfalls 2024 erschien in der Reihe „Veröffentlichungen des Archivs der Stadt Stuttgart“ das Buch „Tödliche Razzia. Antisemitismus, Polizeigewalt und die Erschießung eines Auschwitz‐Überlebenden in Stuttgart 1946“ der Historikerin Josefine Geib, auf dem der aktualisierte Stelentext basiert.

Historischer Kontext

In der ehemaligen Reinsburg- und Klugestraße lebten nach Ende des Zweiten Weltkriegs hunderte polnisch-jüdische Holocaust-Überlebende. Eine Rückkehr in ihre Heimat war wegen antisemitischer Pogrome nicht möglich. Daher wurden sie bis Mitte 1949 als sogenannte „Displaced Persons“ (DPs) unter amerikanischen Schutz gestellt und in beschlagnahmten Wohnungen untergebracht. Während sie von der lokalen Bevölkerung häufig Ablehnung erfuhren und auf eine baldige Emigration nach Israel/Palästina oder in die USA hofften, bauten die DPs im Stuttgarter Westen ein vielfältiges Alltagsleben auf. Auf das DP-Camp in der Reinsburgstraße weist seit einigen Jahren eine Informationsstele hin, die nun erweitert wurde und ein zentrales Ereignis in den Fokus rückt: Am 29. März 1946 drangen mehr als 200 bewaffnete Polizisten in die Unterkünfte der DPs und führten eine antisemitisch motivierte, gewaltsame Razzia durch. Als die Bewohner sich wehrten, eröffneten die Polizisten das Feuer. Dabei kam der 36-jährige Shmuel Dancyger zu Tode, drei weitere Menschen wurden verletzt. Für die Tat wurde in der Folge niemand zur Rechenschaft gezogen.

Shmuel Dancyger, im polnischen Radom geboren, hatte in Stuttgart erst kurz zuvor seine Frau Regina und seine beiden Kinder wiedergefunden. Alle vier hatten das Konzentrationslager Auschwitz überlebt. Shmuel Dancyger ist im jüdischen Teil des Steinhaldenfeld-Friedhofs in Stuttgart begraben. Um würdig an Shmuel Dancyger zu erinnern, wird der Platz am oberen Ende der Reinsburgstraße nun nach ihm benannt.

Weitere Infos zum Buch „Tödliche Razzia. Antisemitismus, Polizeigewalt und die Erschießung eines Auschwitz‐Überlebenden in Stuttgart 1946“ stehen unter "Publikationen" auf der Seite des  Stadtarchivs bereit.

Das könnte Sie auch interessieren

Erläuterungen und Hinweise

Bildnachweise

  • Fabrice Weichelt/Stadt Stuttgart
  • Julian Rettig/Stadt Stuttgart
  • Thomas Niedermüller
  • Thommy West