Nach einem Beschluss des Gemeinderats vom April 2021 (GRDrs 113/2021) hatte sich die Landeshauptstadt Stuttgart erfolgreich beim Land für ein Pilotprojekt beworben und hat als eine von landesweit fünf Modellkommunen einen Klimamobilitätsplan (KMP) erstellt. Der Gemeinderat hat am 16. Mai 2024 den Plan diskutiert und die Verwaltung beauftragt, ihn dem Verkehrsministerium Baden‐Württemberg (Öffnet in einem neuen Tab) zur Genehmigung vorzulegen (GRDrs 262/2023).
Durch die Erstellung eines Klimamobilitätsplans kann die Stadt Stuttgart bei der späteren Finanzierung von Projekten im Verkehrsbereich einen sogenannten „Klimabonus“ in Form einer erhöhten Förderquote (75 % statt 50 %) in Anspruch nehmen. Das betrifft beispielsweise Maßnahmen für Bus und Bahn sowie für den Rad‐ und Fußverkehr.
Ziele und Maßnahmen des KMP
Oberziel des Klimamobilitätsplanes ist die erwähnte Reduktion der CO2-Emissionen im Verkehrssektor um 40 % bis 2030 – im Vergleich zu 2010, wo die Treibhausgasemissionen im Verkehr gemäß der Zahlen unseres Amtes für Umweltschutz bei rund 730.000 Tonnen CO2-Äquivalente lagen. Daneben gibt es weitere Ziele, die auch dem Gemeinderat besonders wichtig waren:
Quantitative Teilziele für die drei Vs:
- Verkehrsvermeidung: die Gesamtverkehrsleistung geht durch weniger und kürzere Wege um 5% zurück
- Verkehrsverlagerung: 50 % der Verkehrsleistung wird im Umweltverbund erbracht (Ausgangswert 2017: 42% ), davon 42−50% im ÖPNV, 6−9% im Radverkehr und 3 % im Fußverkehr. Der Begriff der „Verkehrsleistung“ berücksichtigt dabei die Anzahl der zurückgelegten Kilometer. Daher ist z.B. der Fußverkehrsanteil hier deutlich kleiner als er nach der Anzahl der Wege ist (29 %).
- Verträgliche Abwicklung des Verkehrs: Mindestens 15% der Verkehrsleistung im Kfz‐Verkehr wird klimaneutral erbracht.
Zusätzliche quantitative Ziele:
- Steigerung des wegebezogenen Radverkehrsanteils am Quell‐, Ziel‐ und Binnenverkehr auf 25%
- Reduktion des motorisierten Individualverkehrs im City‐Ring/Beschluss Wettbewerb B14 um 50%
- Reduktion des konventionell angetriebenen motorisierten Individualverkehrs im Talkessel um 20% ( Verkehrsentwicklungskonzept)
Zusätzliche qualitative Ziele:
- In Stuttgart wird eine effiziente, stadtverträgliche und ressourcenschonende Erreichbarkeit sichergestellt.
- Alle gesellschaftlichen Gruppen haben einen (finanzierbaren) Zugang zu den Verkehrssystemen.
- Die Ausgestaltung der Infrastruktur und ein respektvolles Miteinander ermöglichen eine sichere Fortbewegung.
- Der öffentliche Raum zeichnet sich durch eine hohe Aufenthaltsqualität aus.
Um diese Ziele zu erreichen, haben die Verwaltung und die Stuttgarter Straßenbahnen AG (SSB) 71 Einzelmaßnahmen entwickelt, die in 5 Themenfelder gegliedert sind.
Die Maßnahmen gliedern sich in die Bereiche
- Infrastruktur, was den Ausbau von Verkehrswegen im Fuß‐ und Radverkehr, den Ausbau des Netzes im ÖPNV, die Schaffung von Verknüpfungspunkten (Mobilitätsstationen, Park & Ride etc.) und eine Neuaufteilung der Verkehrsflächen (u.a. im Projekt „Lebenswerte Innenstadt“) umfasst.
- Mobilitätsangebote, was das ÖPNV‐ und Sharingangebot, aber z.B. auch das Jobticket der Landeshauptstadt Stuttgart umfasst.
- Stadtentwicklung mit dem Grundgedanken, dass eine gestärkte Nahversorgung zu einer Verringerung der Wege führen kann. Hier liegt der Fokus auf Stadtteilzentren und emissionsarmen Stadtquartieren.
- Stadtverträglichkeit, womit u.a. eine nachhaltigere Abwicklung der Liefer‐ und Wirtschaftsverkehre sowie eine effizientere Nutzung des bestehenden Parkraumes gemeint ist.
- Regulierung und Steuerung, was Emissionseinsparungen durch verbessertes Verkehrsmanagement und verbesserte Verkehrssteuerung sowie durch alternative Antriebsarten umfasst.
Im Klimamobilitätsplan sind die einzelnen Maßnahmen ausführlich beschrieben. Sie sind jeweils auch mit anderen städtischen Planwerken wie dem „Aktionsplan nachhaltig und innovativ mobil in Stuttgart“ (Öffnet in einem neuen Tab), dem Nahverkehrsplan (Öffnet in einem neuen Tab)und Nachverkehrsentwicklungsplan (Öffnet in einem neuen Tab)abgestimmt.
Wirkungen des KMP
Die insgesamt 71 Maßnahmen des Stuttgarter Klimamobilitätsplans führen gemäß wissenschaftlicher Berechnungen auf Basis eines Verkehrsmodells zu einer deutlichen Zunahme des Anteils des öffentlichen Verkehrs sowie fast zu einer Verdoppelung des Anteils des Radverkehrs an der Verkehrsleistung.
Errechnet wurde eine Abnahme der Fahrleistung im Kfz‐Verkehr um 14,8 % (von 2010 auf 2030) und eine insgesamt erreichbare CO2-Reduktion um 45,7 % im gleichen Zeitraum. Erwähnenswert ist die Zusammensetzung der prognostizierten Fahrleistung im Kfz‐Verkehr: so wird für die Pkw eine Abnahme der täglichen Fahrzeugkilometer von 15,8 % prognostiziert, gleichzeitig aber eine Zunahme für die Lkw von 8,6 %. In Summe ergibt sich die dargestellte deutliche Abnahme.
Grundlage für die Annahmen ist eine Defizit‐ und Potenzialanalyse der beauftragten Beratungsinstitute ifok GmbH und PTV Transport Consult GmbH, auf deren Grundlage eine Wirkung der geplanten Maßnahmen berechnet wurde.
Bedeutung von Rahmenbedingungen
Die Berechnungen aller bisher beschlossenen, kommunalen Klimamobilitätspläne zeigen, dass die bis zum Jahr 2030 notwendige Reduktion der verkehrsbedingten CO2-Emissionen nur erreicht werden kann, wenn die Zahl der klimaneutral fahrenden Pkw und Nutzfahrzeuge bis dahin deutlich ansteigt. So wird im Stuttgarter Klimamobilitätsplan ein Rückgang der CO2-Emissionen um 45,7% bis 2030 (ggü. 2010) nur erreicht, wenn die Zahl der batterieelektrisch betriebenen Pkw von heute (Mai 2025) rund 18.000 auf rund 68.000 und die Zahl der Plug‐In‐Hybrid‐Pkw von heute rund 16.000 auf rund 28.000 bis zum Jahr 2030 ansteigen.
Der Hochlauf der Elektromobilität hängt dabei von vielen Faktoren auf der Angebots‐ und auf der Nachfrageseite ab, die nur zum kleineren Teil von der Landeshauptstadt Stuttgart selbst beeinflussbar sind. Von Expertinnen und Experten wird zum Beispiel als besonders bedeutsam eingeschätzt, dass die Marktpreise für die Anschaffung und den Betrieb von Elektroautos attraktiv sind. Besonders bedeutend sind auch Rahmenbedingungen auf übergeordneter politischer Ebene. Beispielhaft kann hier die auf europäischer Ebene beschlossene Integration des Verkehrssektors in das System von Emissionszertifikaten oder die im Zuge der Bildung einer neuen Bundesregierung im Koalitionsvertrag formulierten Anreize für den Kauf von Elektroautos genannt werden.
Die Stadt Stuttgart hält Maßnahmen auf EU‐, Bundes‐ und Landesebene, die die klimaneutrale Mobilität fördern, für sinnvoll. Dazu zählen aus Sicht der Stadt zum Beispiel die Schaffung von finanziellen Anreizen für den Kauf und den Betrieb elektrisch angetriebener Pkw, die Reduzierung von Emissionen durch Pkw mit Verbrennungsmotor sowie die Förderung der Anschaffung von klimaneutral betriebenen Bussen für den Öffentlichen Personennahverkehr.
Die Stadt Stuttgart hält deshalb zum Beispiel die folgenden Maßnahmen für geeignet, die klimaneutrale Mobilität zu stärken:
- Kaufanreize für E‐Autos und günstigen Ladestrom;
- Anreize zur Umstellung gewerblicher Flotten auf E‐Autos;
- klare rechtliche Rahmenbedingungen für klimaneutrale Kraftstoffe;
- Ausbau der öffentlichen und privaten Ladeinfrastruktur für Pkw und Nutzfahrzeuge sowie;
- Klärung von bau‐ und immissionsschutzrechtlichen Fragen zur Ladeinfrastruktur
Dies gilt auch für entsprechende Initiativen des Deutschen Städtetags, der Bundes‐ und der Landesregierung sowie der Plattform urbane Mobilität.
Darüber hinaus wird die Stadt Stuttgart ihre eigenen und bislang sehr erfolgreichen Anstrengungen zum Ausbau der Landeinfrastruktur weiter ausbauen. Die Spitzenstellung, die Stuttgart bei den öffentlich zugänglichen Lademöglichkeiten unter den größten deutschen Städten einnimmt und im vergangenen Jahr 2024 nochmal deutlich ausgebaut hat, soll durch die Ausschreibung weiterer 500 Standorte mit 1.000 Ladepunkten weiter gefestigt werden.
Monitoring
Es muss regelmäßig geprüft werden, ob die Maßnahmen wirken und die Verwaltung „auf Kurs“ ist. Das Monitoring‐Konzept muss sich außerdem in die Gesamtsystematik des Monitorings für den Klima‐Fahrplan einfügen, der allerdings andere Bezugsgrößen hat (1990−2035). Außerdem gibt es zahlreiche Überschneidungen mit dem „Aktionsplan nachhaltig und innovativ mobil“ (Öffnet in einem neuen Tab). Aus diesem Grund wird es ein übergreifendes Monitoring für den KMP, den Aktionsplan und den Klimafahrplan geben.
Das Monitoring gliedert sich in drei Ebenen:
- Das übergreifende Ziel der Co2-Einsparung wird über Treibhausgas‐Bilanzierung der Landeshauptstadt Stuttgart erfasst. Im Monitoring des Klimamobilitätsplans soll daher immer auch die städtische Treibhausgasbilanz im Mobilitätssektor betrachtet werden. Anhand der durch das Amt für Umweltschutz erstellten Bilanzierung kann hier jährlich die Senkung der Treibhausgasemissionen sowohl gegenüber 1990 als auch gegenüber 2010 ermittelt werden.
- Für die quantitativen und qualitativen Unter‐ und Teilziele werden relevante Ziel‐Indikatoren ermittelt und ausgewertet. Der wichtigste Indikator dafür ist die Befragung „Mobilität in Deutschland“ (MiD). Die MiD ist die größte bundesweite Erhebung zur Alltagsmobilität. Parallel dazu wird auch die von der SSB AG beauftragte jährliche KONTIV‐Befragung von Stuttgarter Haushalten wichtige Daten liefern. Weitere Daten ergeben sich aus der Fahrzeug‐Zulassungsstatistik oder anderen Quellen.
- Eine dritte Ebene umfasst das Maßnahmen‐spezifische Monitoring. Dabei wird für jede der 71 aufgeführten Maßnahmen geprüft und berichtet, inwieweit sie umgesetzt wurde.
Entstehung des KMP
In einem ersten Schritt wurden die bereits vorhandenen Planwerke und Konzepte der Stadt Stuttgart im Bereich Mobilität und Verkehr analysiert und bewertet. Danach wurde ein Zielszenario entwickelt und schließlich daraus Einzelmaßnahmen und ein Umsetzungskonzept erarbeitet. Fachliche Unterstützung bei der Ausarbeitung des Klimamobilitätsplans erhielt die Stadt durch die PTV Transport Consult GmbH.
Die Anforderungen an die städtische Klimamobilitätsplanung sind hoch. Neben dem Fokus auf den Klimaschutz sind auch die Sicherstellung der Mobilität von Personen und Gütern sowie die Belange aus anderen Bereichen des Umweltschutzes (Lärm, Schadstoffe) und der Stadtentwicklung zu berücksichtigen. Die Erstellung des Klimamobilitätsplans Stuttgart stellt die Einhaltung der Klimaziele in den Fokus.
Die folgende Abbildung zeigt Methodik und Vorgehen bei der Erstellung des KMP:
Im Rahmen einer Bürger‐ und Öffentlichkeitsbeteiligung wurden neben Organisationen, Vereinen und Initiativen aus dem Bereich Mobilität und Verkehr auch zufällig ausgewählte Einwohnerinnen und Einwohner sowie Pendlerinnen und Pendler bei der Erstellung des Klimamobilitätsplans aktiv beteiligt. Eine kontinuierliche Beteiligung erfolgte über das „Forum Klimamobilitätsplan“. Als zentrales, nicht öffentliches Gremium der Bürger‐ und Öffentlichkeitsbeteiligung begleitete und unterstützte das Forum den Planungsprozess über drei Sitzungen hinweg. Bei der Beteiligung und Kommunikation unterstützte das Büro ifok GmbH. Der Methodenbericht der Firma PTV und das von ifok aufbereitete Ergebnis der Bürgerbeteiligung sind Teil des Klimamobilitätsplans.
Weitere Informationen
- Präsentation zur Einbringung des Klimamobilitätsplans im Ausschuss für Stadtentwicklung und Technik am 23. April 2024PDF‐Datei1,54 MB
- Status Quo – Potenzialanalyse KlimamobilitätsplanPDF‐Datei4,70 MB
- Präsentation zur Auftaktveranstaltung Klimamobilitätsplan vom 9. März 2022PDF‐Datei3,34 MB
- Gemeinderat beschließt Klimaneutralität ab 2035
- Jetzt Klimachen – Die Klimaschutzkampagne der Stadt Stuttgart (Öffnet in einem neuen Tab)