"Béatrice Longuenesse ist emeritierte Professorin für Philosophie auf der renommierten Silver Stiftungsprofessur an der New York University. Sie gehört zu den international anerkanntesten Philosophinnen unserer Zeit. In ihren Arbeiten ist es ihr gelungen, ganz unterschiedliche Traditionen, Fragestellungen und kulturelle Impulse in einzigartiger Weise aufzugreifen und miteinander ins Gespräch zu bringen. Die mittlerweile zu Standardwerken avancierten Studien über Kant und Hegel bezeugen, dass Béatrice Longuenesse herausragende philosophiehistorische Forschung betreibt. Zugleich kann sie beeindruckend erkennbar machen, dass Fragen zur Geschichte der Philosophie ihre Aktualität nicht eingebüßt haben.
Béatrice Longuenesse zeichnet sich dadurch aus, dass sie sehr verschiedene Fragen und Traditionen in sehr fruchtbarer Weise zusammenbringt: Sie ist fraglos eine der einflussreichsten und besten Forscher:innen für die Geschichte der Philosophie. Ihre Bücher zu Kant und Hegel sowie ihre Bücher zu Themen des Selbstbezugs gehören zu den weltweit meist zitierten und einflussreichsten Büchern der akademischen Welt überhaupt. Sie gelten im Feld als kanonisch. Qualität wie Originalität ihrer Interpretationen sind ebenso unbestritten wie maßgebend.
Sie hat aber nicht nur bedeutende Arbeiten zur Geschichte der Philosophie geschrieben. Sie hat auch, instruiert durch die Philosophiegeschichte, zur zeitgenössischen Philosophie gearbeitet, insbesondere zur Philosophie des Geistes. Ausgehend von den bei Kant und Hegel mit aller Radikalität gestellten Fragen zum Selbstverhältnis und Person-sein und nicht zuletzt zu den in diesen Selbstverhältnissen fundierten Vorstellungen von menschlicher Freiheit haben ihre Beiträge in äußerst fruchtbarer Weise auf andere Traditionen ausgegriffen. Insbesondere hat sie in sehr origineller Weise Verbindungen zu Sigmund Freud, zu Positionen in der Phänomenologie, zu zeitgenössischen Positionen der Philosophie des Geistes und zu Neurowisschenaftler:innen hergestellt. Thematisch geht Longuenesse dabei ebenso um die Frage, welche Selbstbezüge wir Menschen ausbilden können, wie um die, was für eine Rolle diese für unser Erkenntnis der Welt und für unser moralisches Handeln in dieser spielen.
Bemerkenswert ist, wie Béatrice Longuenesse in ihren Untersuchungen und mit ihren Fragen den Bereich enger akademischer Wissenschaft auch immer wieder transzendiert und die Grenzen innerakademischer Fachdiskussionen verlässt. So sind vielbeachtete und gewichtige Beiträge zu aktuellen philosophischen Fragen entstanden, die auch in der breiteren Öffentlichkeit diskutiert werden.
Die Aktualisierung von Potentialen durchaus heterogener Traditionen führt Béatrice Longuesse besonders eindrücklich in Büchern wie I, Me, Mine. Back to Kant, and Back Again. Oxford University Press (2017) und The First Person in Cognition and Morality vor Augen . The Spinoza Lectures. Oxford. (2019) vor Augen geführt. Einen nahezu kanonischen Status in der internationalen Kant- und Hegelforschung genießen ihre Studien Kant and the Capacity to Judge. Sensibility and Discursivity in the Transcendental Analytic of the Critique of Pure Reason (Princeton University Press, 2000) und Hegel's Critique of Metaphysics (Cambridge University Press, 2007).
Béatrice Longuenesse ist Mitglied der American Academy of Arts and Sciences und war Fellow am Berliner Wissenschaftskolleg.
In diesem integrativen Werk, das wie kaum ein zweites verschiedene Fragen und Traditionen zusammenbringt und weiterführt, ohne es je an philosophiehistorischer Umsichtigkeit fehlen zu lassen, sieht die Jury eine Leistung, die es aufgrund ihrer außerordentlichen Eigenständigkeit und Güte verdient, mit dem Hegel-Preis der Stadt Stuttgart ausgezeichnet zu werden."